Die seltsamen Zahlen eines Patientenanwaltes

Sie erinnern sich vielleicht:  Im Juni 2013, also vor fast einem Jahr, präsentierte der Hauptverband der Sozialversicherungsträger – also keine als besonders ärztefreundlich bekannte Institution – die „Bevölkerungsstudie Gesundheitsreform“. 93 Prozent der Befragten gaben dabei an, einen „Hausarzt oder Arzt ihres Vertrauens“ zu haben. Und:  „Weitgehend zufrieden zeigte sich die Bevölkerung quer durch alle Gruppen von Befragten mit den Öffnungszeiten ihrer Ärzte: 20 Prozent sind sehr, 61 Prozent eher zufrieden“.

Heute, ein Jahr danach, meldet sich Patientenanwalt Dr. Bachinger mit einem neuen Umfrageergebnis zu Wort. Und hier sind plötzlich 42 Prozent der Befragten, wie zum Beispiel der KURIER berichtet, mit den „Öffnungszeiten ihres Hausarztes am Wochenende eher oder total unzufrieden… An Werktagen halten 37 Prozent die Öffnungszeiten für unpassend.“

Ein massiver Sinneswandel der Bevölkerung also? Aber das hausärztliche Angebot wird ja wohl in einem Jahr nicht schlechter geworden sein. Oder vielleicht doch eher Ausdruck des aktuellen Sinneswandels bei einigen Playern der Gesundheitspolitik, als deren Sprachrohr Dr. Bachinger sich immer mehr etabliert? (Ein „Patientenanwalt“ als Anwalt einer Regierungspolitik auf Gesundheitsausgaben-Sparkurs, das ist schon etwas  Besonderes!)

Schließlich ist es das inzwischen auch öffentlich immer klarer formulierte Ziel vieler Vertreter der Gesundheitspolitik, niedergelassene Ärztinnen und Ärzte schrittweise abzuschaffen. Patienten müssten dann eben auf ihren Hausarzt verzichten und sich stattdessen zum Beispiel an ein mehr oder weniger anonymes „Erstversorgungszentrum“ oder „Gesundheitszentrum“ wenden. Dort werden sie dann von jemandem informiert und betreut, den sie vielleicht gar nicht kennen – und mit etwas Glück ist das sogar ein Arzt, sonst eben eine Pflegeperson oder die Sprechstundenhilfe. Kein Witz: Solche Modelle werden von Gesundheitspolitikern allen Ernstes immer öfter zitiert. Im Schönsprech der neuen Gesundheitspolitik heißt das „multiprofessionelles Team“.

Da passt es natürlich ins Konzept, die Niedergelassenen schlecht zu reden, zum Beispiel wegen angeblicher Unzufriedenheit der Patienten mit den Öffnungszeiten der Arztpraxen.

Das soll natürlich nicht heißen, dass diese nicht in Einzelfällen noch besser auf Patientenbedürfnisse abgestimmt sein könnten und sollten. Aber insgesamt geht es hier um geeignete Rahmenbedingungen, wie sie von der Ärztekammer seit langem gefordert werden: Wir brauchen zeitgemäße Kooperationsmöglichkeiten, mehr Gruppenpraxen, die Möglichkeit, dass Ärzte andere Ärzte beschäftigen, etc. Und es ist auch eine Frage der Bezahlung: Gratis-Überstunden zu machen, würde man ja auch von sonst niemandem verlangen. Die Unterstützung durch die Politik wäre hier hoch willkommen.

Was aber definitiv niemand braucht, sind anonyme Gesundheitsfabriken, wie sie sich manche Gesundheitspolitiker vorstellen. Und ein sukzessives Abschaffen des bewährten Systems niedergelassener Ärzte, zum Nachteil der Patienten. Ich würde gerne einmal von Patientenanwalt Dr. Bachinger hören, dass er das auch so sieht.