Umfrage: Österreicher wollen Hausarzt-zentrierte Versorgung – 96 Prozent sind mit ihrem Hausarzt zufrieden

Es ist kein Geheimnis, dass in der Vergangenheit die Beziehung zwischen der Ärztekammer und der Gesundheits-Politik und -Bürokratie nicht immer frei von Differenzen war. Ursache davon war in aller Regel eine Politik, die die medizinische Versorgung zurückfahren und die Kompetenzen der Ärzteschaft beschneiden wollte, zusätzliche Bürokratie aufbürdete und die Notwendigkeit von Maßnahmen ignorierte, die eine sinnvolle Tätigkeit niedergelassener Ärzte im Interesse der Patienten erst ermöglichen.

Die Ärztekammer hat bei all diesen Fragen stets sehr klar Position bezogen und Gegenvorschläge gemacht. Jetzt wollten wir wissen, wie die Bevölkerung die Situation sieht. Wir haben deshalb das Meinungsforschungs-Unternehmen ecoquest damit beauftragt, unter der Leitung von Univ.-Doz. Dr. Peter Ulram 1.000 Österreicherinnen und Österreicher zu diesen Themen zu befragen.

Umfrageergebnisse sind Bestätigung und Ermutigung

Die Ergebnisse sind für mich als Ärztevertreter Bestätigung und Ermutigung. Die Zufriedenheit mit dem Hausarzt, die 96 Prozent der Befragten äußern, sehe ich als klaren Ausdruck des Bürger- und Patientenwunsches nach einer Hausarzt-zentrierten Gesundheitsversorgung. Die Menschen wollen „ihren“ Hausarzt. Das ist ein überdeutliches Votum für ein bewährtes ärztliches Versorgungsmodell im niedergelassenen Bereich, aber auch für dessen konsequenten Ausbau: Immerhin drei Viertel der Befragten befürworten, dass es mehr Hausärzte geben soll.

Wir brauchen mehr Niedergelassene mit Kassenvertrag

Weil die Bevölkerung nicht nur wächst, sondern auch immer älter wird, brauchen wir mehr niedergelassener Ärzte mit Kassenvertrag. Tatsächlich haben wir jedoch heute in Österreich 900 weniger als im Jahr 2000. Das unterstreicht die Forderung der Ärztekammer nach österreichweit 1.300 zusätzlichen Ordinationen mit Kassenvertrag, davon 300 in Wien. Diese sind notwendig, wenn der niedergelassene Bereich die sehr teuren Spitäler sinnvoll entlasten soll.

Klare Absage an anonyme Versorgungszentren

Die Vorstellungen und Wünsche, die erkennbar werden, erteilen aber auch bestimmten Konzepten von Erstversorgungszentren (Primary Health Care) eine klare Absage, wie sie unter Gesundheitsminister Stöger immer wieder vorgestellt wurden. Anonyme Versorgungszentren ohne freie Arztwahl und vielleicht sogar ohne Arzt als kompetenten Erstkontakt, sind für die Österreicher keine attraktive Alternative. Dass 7 von 10 Befragten angeben, dass sich ihre Lebensqualität ohne ihren Hausarzt „bedeutend verschlechtern würde“ zeigt sehr klar, was die Österreicher wollen. Jedenfalls keine Versorgungszentren, die bloß den Ärztemangel kaschieren, indem sie ärztliche Tätigkeiten plötzlich von Nicht-Ärzten ausführen lassen.

Österreich gehen die Ärzte aus

Die klare Botschaft der Österreicher: Für 99 Prozent ist der Hausarzt ein „sehr wichtiger Bestandteil der Gesundheitsversorgung“. Sie schätzen die Situation realistisch ein, wenn sie meinen, dass eine höhere Zahl niedergelassene Ärzte mit Kassenvertrag zu einer „insgesamt besseren medizinischen Versorgung“ beitragen würde.

Mehr medizinscher Nachwuchs im niedergelassenen Bereich ist auch unter dem Gesichtspunkt einer älter werdenden Ärzteschaft von Bedeutung. Von den in Österreich niedergelassenen Fachärzten sind bereits zwei Drittel in der Altersgruppe 50 plus, 45 Prozent der Allgemeinmediziner sind älter als 55. Am Beispiel Wien: Von den rund 1.400 niedergelassenen Allgemeinmedizinern sind nur 19 jünger als 35 Jahre. Besonders gravierend ist die Situation in den ländlichen Regionen. Dort werden in den nächsten 10 Jahren mehr als die Hälfte der derzeit 1.800 niedergelassenen Landärzte in Pension gehen.

Zwangsfolgen einer verfehlten Gesundheitspolitik

All das – und vieles mehr – sind die logischen Zwangsfolgen einer verfehlten Gesundheitspolitik der Vergangenheit. Die Diagnose dieser Probleme und eine vorurteilsfreie Ursachenanalyse sind die Voraussetzung dafür, es in Zukunft besser zu machen. Diese Chance möchten wir gerne gemeinsam mit der neuen Gesundheitsministerin Dr. Sabine Oberhauser nützen. Wenn die Politik hier nicht schnell wirksame Maßnahmen ergreift, droht schon bald ein massiver Ärztemangel mit entsprechenden Versorgungslücken. Denn der Arztberuf ist – und das war früher anders – für junge Menschen aufgrund der unbefriedigenden Rahmenbedingungen unattraktiv geworden. Also geht es darum, ihn wieder attraktiv zu machen: Wir brauchen bessere Rahmenbedingungen für jene Menschen, die sich für den Arztberuf entscheiden.

Vielfalt von Organisationsmodellen

Hier bedarf es zum Beispiel einer konsequent auszubauenden Vielfalt von Organisationsmodellen und Versorgungsformen: Vernetzung und Verbesserung von Zusammenarbeits-Formen, von der Stärkung und Weiterentwicklung von Einzelordinationen in Netzwerken bis hin zu zeitgemäßen Kooperationsformen. Erforderlich sind flexible Formen der ärztlichen Zusammenarbeit wie Gruppenpraxen, Teamarbeit in Hausarztpraxen, Praxisnetzwerke, Time-Sharing-Praxen und geeignete Formen der Vertretung ebenso wie angemessene Bereitschaftsdienst-Modelle. Solche flexiblen Formen berücksichtigen auch, dass jüngere Ärzte bzw. Medizin-Studierende oft andere Vorstellungen vom Arztberuf haben als das in der Vergangenheit üblich war. Viele schätzen eine gute Vereinbarkeit von Beruf und Familie hoch ein.

Abbau von Bürokratie – weg mit der Chefarztpflicht

Zu besseren Rahmenbedingungen gehört auch ein konsequenter Abbau von Bürokratie, die für Patienten keine Vorteile bringen. Das sehen auch die Befragten so: 82 Prozent finden es sehr oder eher wichtig, dass für Ärzte „weniger administrative Arbeiten“ anfallen. Fast zwei Drittel sind überzeugt, dass ihr Hausarzt dann mehr Zeit für seine Patienten aufbringen könnte.

Ausdrücklich zu fordern ist das Ende der Chefarztpflicht. Sie ist bürokratisch und zeitlich aufwändig, sie behindert Patienten und Ärzte, sie ist willkürlich und ein nicht zeitgemäßer Hoheitsakt der Kassenbürokratie: So etwas gehört abgeschafft, und das möglichst schnell. Ein aktuelles positives Beispiel liefert die WGKK, die mit 1. September die chefärztliche Bewilligungspflicht für CT- und MRT-Untersuchungen abgeschafft hat.

Weg mit Deckelungen und Degressionen

Dass 96 Prozent der Befragten sich wünschen, das ihr Hausarzt „immer die richtige Diagnose stellen können sollte“, führt zur zentralen Forderung, dass er das auch darf. In der Praxis sind jedoch eine Vielzahl ärztlicher Leistungen Gegenstand von Limitierungen und Degressionen, oder sie werden von den Kassen grundsätzlich nicht bezahlt. Um die Tätigkeit als niedergelassener Arzt attraktiv zu machen und einen geeigneten Rahmen für eine optimale Betreuung von Patienten zu schaffen, bedarf es u.a. einer Anpassung der Leistungskataloge an den Stand und die Erfordernisse der Medizin.

Die Österreicher sehen uns als „Best Point of Service“

Die Befragten sehen den niedergelassenen Bereich in sehr vielen Bereichen als „Best Point of Service“. Jetzt geht es darum, uns durch entsprechende Reformen in die Lage zu versetzen, das im Interesse von Patienten und Bürgern auch wirklich sein zu können.

Keine Gesundheitsreform ohne Ärzte

Wer glaubt, eine „Gesundheitsreform“ ohne Einbeziehung von Ärzten machen zu können, erhält von der Bevölkerung eine klare Abfuhr. 86 Prozent der Befragten sind davon überzeugt, dass Ministerium, Sozialversicherungen und Länder „bei jeder gesundheitspolitischen Entscheidung den Standpunkt der Ärzte berücksichtigen“ sollten.

Die Ärztekammer stellt selbstverständlich sehr gerne auch in Zukunft ihre Expertise zur Verfügung.