Ausreichende Versorgung macht aktive Sterbehilfe und Euthanasie überflüssig

In den vergangenen Tagen war sehr viel von Euthanasie-Konzepten, wie wir sie aus Holland oder Belgien kennen, und vom assistierten Suizid in der Schweiz die Rede. Anlässlich von Allerheiligen und Allerseelen berichteten die Medien unter anderem über Palliativversorgungs-Konzepte, der Suizid der amerikanischen Krebspatientin Brittany Maynard (†29) wurde medial stark aufgegriffen. Und am vergangenen Freitag fand die erste Arbeitssitzung der parlamentarischen Enquete-Kommission „Würde am Ende des Lebens“ statt. Eine insgesamt wichtige Diskussion, bei der allerdings Risiken der „Enttabuisierung“ sinnvoller medizinischer und ethischer Standpunkte und Standards droht und Fehlentwicklungen, wie wir sie aus anderen Ländern kennen, nicht auszuschließen sind.

Einige der in Österreich geäußerten Standpunkte und Forderungen sind allerdings aus ärztlicher Sicht inakzeptabel, ebenso wie Entwicklungen in Belgien, Holland und der Schweiz. So zeigt beispielsweise der niederländische Euthanasiebericht 2013, dass die Fallzahlen in sieben Jahren um 150 Prozent gestiegen sind, in Belgien haben sie sich in drei Jahren verdoppelt.

In Holland gab es insgesamt 42 Fälle von Sterbehilfe aufgrund psychiatrischer Erkrankungen, dreimal mehr als im Jahr davor. Wir wissen: In der medizinischen Praxis erweist sich häufig eine nicht behandelte Depression als Ursache für einen Todeswunsch, der mit angemessener antidepressiver Behandlung aber auch wieder verschwindet. Wir wissen auch, dass schwer kranke Menschen, die schmerztherapeutisch gut versorgt sind, kaum Interesse an aktiver Sterbehilfe oder assistiertem Suizid äußern. Und in den allermeisten Fällen ist zumindest eine Linderung der Schmerzen möglich.

Die Forderung muss also aus ärztlicher Sicht lauten, Patienten in schwierigen Situationen bestmöglich zu versorgen. Das schließt neben der – wenn möglich – ursächlichen Behandlung von Krankheiten eben die Therapie von Schmerz, Ängsten und Depressionen ebenso mit ein wie die Behandlung von Beschwerden wie Übelkeit, Brechreiz, chronischer Verstopfung, Atemnot, Erstickungsgefühle, Hautjucken etc, die für davon Betroffene eine enorme Belastung darstellen können. Die therapeutischen Möglichkeiten zur Symptomlinderungen gibt es, sie müssen auch allen Menschen, die davon profitieren können, zugänglich gemacht werden.

Das alles ist ein sehr klarer Gegenentwurf zu Euthanasie und assistiertem Suizid.

Eine wichtige Rolle spielen hier neben Hospizen, Palliativ-Angeboten und schmerzmedizinischen Einrichtungen in sehr hohem Maße niedergelassene Ärztinnen und Ärzte. Die überwiegende Mehrheit der Menschen äußert in Umfragen den Wunsch, zu Hause zu sterben. Allerdings sterben in der Realität fast zwei Drittel in einem Krankenhaus, was aber dafür kein geeigneter Ort ist. Die Behandlung zu Hause durch den Haus- oder Facharzt hat also einen hohen Stellenwert.

Der Bedarf an dieser Art von Versorgung wird jedenfalls größer werden, weil unsere Gesellschaft älter wird. Hier werden zusätzliche finanzielle Mittel erforderlich sein. In Österreich wird allerdings derzeit zum Beispiel auf dem Gebiet der Schmerzmedizin massiv eingespart, und die Krankenkassen sind nicht bereit, die Schmerztherapie auch nur annähernd angemessen zu honorieren. Dem zunehmenden Bedarf an ärztlichen Leistungen im niedergelassenen Bereich, die eine medizinische und ethische Alternative zu Euthanasie und assistiertem Suizid darstellen, muss durch entsprechende Anpassungen der Vereinbarungen mit den Krankenkassen und durch finanzielle Mehrleistungen durch das Gesundheitssystem Rechnung getragen werden.