1,5 Millionen Österreicher haben chronische Schmerzen. Was brauchen niedergelassene Ärztinnen und Ärzte, um ihnen helfen zu können?

Kürzlich fand ein Round Table auf Einladung der Österreichischen Schmerzgesellschaft mit Vertretern der Schmerzmedizin, des Hauptverbandes, der GÖG und der „Grünen“, die sich neulich in diesem Zusammenhang im Parlament profiliert haben, statt. Ein Bericht darüber erscheint dieser Tage im Journal „Schmerznachrichten“ der ÖSG. Ich beleuchtete das Thema Schmerzversorgung aus der Sicht der niedergelassenen Kolleginnen und Kollegen und berichtete darüber, was der niedergelassene Bereich alles braucht, um den Ansprüchen von Patienten bestmöglich entsprechen zu können. Im Folgenden einige weiter reichende Überlegungen dazu:

Schmerzen sind angesichts von 1,5 Millionen Österreichern mit chronischen Schmerzen die wohl am weitesten verbreitete Ursache für einen Besuch bei niedergelassenen Ärztinnen und Ärzten. Schmerzen sind aber in der ärztlichen Praxis auch ein sehr komplexes Thema, ihre Behandlung setzt nicht nur Zeit und Zuwendung, sondern auch ein hohes Maß an Vertrauen voraus. Schmerzen sind für den Arzt nicht sichtbar, er muss sich also auf die Angaben des Patienten verlassen können. Dieses Vertrauen wird im Übrigen durch Bespitzelungsmethoden wie das „Mystery Shopping“ schwer belastet.

Dazu kommt aktuell, dass Spitäler Ambulanzleistungen zurückfahren und in manchen Fällen bei Schmerzdiensten einsparen. Schmerzpatienten, die im Spital nicht mehr behandelt werden können, drängen also in den niedergelassenen Bereich. Doch der wurde seit vielen Jahren von der Gesundheitspolitik vernachlässigt und ist dafür bei Weitem nicht ausgerüstet.

Vor dieser Situation stehen wir also.

Niedergelassener Bereich ist schmerztherapeutisch gut aufgestellt

Dabei ist der niedergelassene Bereich grundsätzlich schmerztherapeutisch gut aufgestellt. Insgesamt haben rund 900 Kolleginnen und Kollegen das Ärztekammer-Diplom „Spezielle Schmerzmedizin“ absolviert, dazu kommen ÖÄK-Diplome in Bereichen wie Akupunktur, Manuelle Therapie, Neuraltherapie oder Psychotherapeutische Medizin, die in der Schmerztherapie eine Rolle spielen. Außerdem gibt es bereits mehr als hundert Absolventen der neueren postgraduellen Universitätslehrgänge.

Strukturprobleme behindern Schmerztherapie

Allerdings haben wir einmal mehr ein Strukturproblem. Die Schmerztherapie ist de facto im Leistungskatalog der Krankenkassen für Allgemeinmediziner nicht abgebildet. Die Behandlung chronischer Schmerzen ist in aller Regel zeit- und zuwendungsintensiv, und in unserem System wird einem Allgemeinmediziner mit Kassenvertrag praktisch jede Möglichkeit genommen, diese Zeit und Zuwendung aufzubringen.

Problematisch sind auch hier Deckelungen und Degressionen. Eine „ausführliche diagnostisch therapeutische Aussprache“ zwischen Arzt und Patient können Allgemeinmediziner mit Kassenpraxis nur in maximal 18 Prozent der Fälle pro Quartal verrechnen. (Diese Zahlen können von Bundesland zu Bundeslang variieren) Und ein „psychosomatisch orientiertes Diagnose- und Behandlungsgespräch“ kann in maximal 20 Prozent der Fälle je Arzt und Quartal verrechnet werden – und das bei 1,5 Millionen Menschen mit chronischen Schmerzen, bei denen psychische Komponenten eine wichtige Rolle spielen.

Forderungen aus Niedergelassenen-Sicht

Ein erster pragmatischer Schritt wäre also, die Zuwendungsmedizin im niedergelassenen Bereich besser zu honorieren und im Honorarsystem einschlägige Zusatzausbildungen zu berücksichtigen. Um im niedergelassenen Bereich auch eine stärker spezialisierte Versorgung anbieten zu können, wären zum Beispiel niedergelassene Anästhesisten wünschenswert, ob nun in Einzelordinationen oder in Gruppenpraxen.

Grundsätzlich sind aus der Sicht der niedergelassenen Ärzte im Hinblick auf die schmerzmedizinische Versorgung eine Reihe von Forderungen zu erheben:

  • Deckelungen und Degressionen gehören weg, damit Patienten ihrem Bedarf entsprechend behandelt werden und es nicht zu vermeidbaren Engpässen und Wartezeiten kommt.
  • Alle schmerztherapeutischen Leistungen, deren Wirksamkeit bestätigt ist, sind von den Kassen zu bezahlen. Derzeit herrscht reine Willkür.
  • Erforderlich ist eine strukturierte, abgestufte schmerztherapeutische Versorgungsstruktur im Sinne des „best point of service“. Erste Anlaufstelle wird bei chronischen Schmerzen in der Regel der Allgemeinmediziner sein. Sollte eine spezialisierte Expertise erforderlich sein, wird er Patienten an einen geeigneten Facharzt weiter verweisen. Als nächste Ebene sollten ausreichend viele Schmerzambulanzen zur Verfügung stehen. Und schließlich bettenführende Schmerzabteilungen oder spezialisierte Schmerz-Reha-Zentren. Die Pläne dazu gibt es seit vielen Jahren, allerdings liegen sie seither in den Schubladen der Gesundheitsplaner.