Was in Wien wirklich zählt

Die Wien-Wahl ist geschlagen, SPÖ und Grüne schicken sich an, in die zweite Runde ihrer Zusammenarbeit aufzubrechen. Medial werden die Verhandlungen auf ein paar Stolpersteine reduziert: Das umstrittene mehrheitsfördernde Wahlrecht etwa, oder die Frage, ob die Grünen das Verkehrsressort in dieser Form behalten dürfen.

Das sind nette Themen. Die Zukunft und die Lebensqualität in der Stadt werden aber auf anderen Schauplätzen entschieden. Was tut die Regierung, um den Wirtschaftsstandort zu beleben? Wie bekommt sie die steigenden Arbeitslosenzahlen in den Griff? Und: Was tut sie gegen die sich immer mehr ausbreitende Mehrklassen-Medizin?

Das sind die Fragen, um die es in den Koalitionsverhandlungen gehen sollte. Österreich war bis vor wenigen Jahren der international führende Gesundheitsstandort. Nun aber verlieren wir in diesem Ranking Platz um Patz. Wollen wir nicht endgültig ins Mittelmaß rutschen oder überhaupt durchgereicht werden, brauchen wir gezielte Maßnahmen, um das Vertrauen der Bevölkerung wieder zu stärken.

Im Spitalsbereich, vor allem im KAV, gilt es, die dramatischen Folgen der neuen Arbeitszeitregelung aufzufangen und überbordende Wartezeiten – selbst auf überlebenswichtige Untersuchungen und OP-Termine – rasch abzubauen. Es kann nicht sein, dass Patientinnen und Patienten hier Schaden nehmen.

Dort, wo Leistungen aus den Ambulanzen ausgelagert werden können, braucht es einen Ausbau der niedergelassenen Strukturen. Diese Phrase hört man zwar auch gern von politischen Entscheidungsträgern. Fakt aber ist, dass die Politik und vor allem die von ihr beschickten Krankenkassen das Gegenteil von dem machen, was sie versprechen: Im Vergleich zur Versorgungsdichte des Jahres 2000 fehlen in Wien aktuell 300 (sic!) Kassenärzte. Da ist das starke Bevölkerungswachstum noch gar nicht eingerechnet. Also: Her mit den von allen geforderten und den Ärztinnen und Ärzten auch angebotenen Gruppen- aber auch Einzelpraxen!

Eines sei den Verhandlungspartnern in Sachen Wahlrechtsreform noch mit auf den Weg gegeben: Schön wäre es, würde die Stadt ein wenig demokratischer, indem man die Patientinnen und Patienten künftig über die Besetzung des Patientenanwalts selbst entscheiden lässt. Dann gäbe es zwar weniger politische Willfährigkeit in diesem Amt, dafür aber eine Bevölkerung, die sich gesundheitspolitisch vertreten fühlt.