Mystery Shopping: Ärztekammer bereitet Klage vor

Wir befürchten schwerwiegende Auswirkungen auf Ärzte und Patienten und werden den Gang zum Verfassungsgerichtshof antreten. Es kann nicht sein, dass der Einsatz von Spitzel im öffentlichen Bereich sonst nur in einem klaren rechtsstaatlichen Verfahren zulässig ist, eine Bespitzelung von Ärzten und Patienten hingegen jeder Abteilungsleiter der kontrollierenden Stelle anordnen darf.

Es ist ein Vertrauensbruch in der Beziehung zwischen Arzt und Patient, der heute politisch genehmigt wird: Die Sozialversicherung hat in der heutigen Sitzung der Trägerkonferenz Richtlinien für die Durchführung, Dokumentation und Qualitätssicherung des „Mystery-Shoppings“ erlassen. Es ist dies ein Beschluss, der an alte DDR-Zeiten erinnert. Die Sozialversicherung, das heißt der Österreichische Gewerkschaftsbund und die Wirtschaftskammer, haben heute den Spitzelstaat in Österreich genehmigt.

Mystery Shopping in Arztordinationen riskiert den unwiderruflichen Vertrauensbruch in der Beziehung zwischen Arzt und Patient. Wenn Ärztinnen und Ärzte nicht mehr sicher sein können, ob ihnen Patienten gegenüberstehen oder von der Sozialversicherung als Testpatienten engagierte Schauspieler mit gefakten E-Cards, dann bedeutet das nicht nur zusätzliche Untersuchungen und „Sicherheitsüberweisungen“ an Spezialisten – und damit eine zusätzliche Belastung für die Patienten -, sondern es wird auch Steuerzahlern eine Menge zusätzliches Geld kosten.

Schon derzeit könnten zahlreiche Kassenplanstellen nicht – oder nur nach mehrmaligem Ausschreiben – nachbesetzt werden. Jetzt ist es der österreichischen Sozialversicherung gelungen, den Beruf des Kassenarztes nun wieder um ein Stück unattraktiver zu machen – das ist schon eine bemerkenswerte Leistung.

Gutachten unterstützen Rechtsweg

Die Ärztekammer bereitet nun die entsprechenden Schritte vor, um das „Mystery Shopping“ auch vor den Verfassungsgerichtshof zu bringen. Unterstützt wird der Rechtsweg bereits von zwei Gutachten, die der Regelung eindeutig Verfassungswidrigkeit bescheinigen.

Der Verfassungsrechtler Univ.-Prof. Dr. Heinz Mayer kommt in seinem Gutachten zu dem Schluss, dass der entsprechende Paragraf 32a im ASVG und die auf dessen Basis nun erlassene Richtlinie „ohne Zweifel verfassungswidrig“ sei. Begründet wird dies damit, dass die Krankenkassen ohne Anfangsverdacht einen Lockspitzel in die Ordinationen schicken könnten. Diese Lockspitzel dürften aber nicht so weit gehen, dass sie den Arzt zu einer Straftat verleiteten, so Prof. Mayer.

Zu einem ähnlichen Ergebnis kommt auch Univ.-Prof. Dr. Alois Birklbauer vom Institut für Strafrecht der Uni Linz. Er verweist in seinem Gutachten darauf, dass verdeckte Ermittler auch im Bereich des Straf- und Sicherheitspolizeirechts nur bei einem Anfangsverdacht und einer bestimmten Mindestschwere einer Straftat eingesetzt werden dürften. Wenn verdeckte Ermittlungen nun auch ärztliche Qualitätskontrollen umfassten, sei diesen Prinzipien nicht hinreichend entsprochen. Ähnlich wie Prof. Mayer betont auch Prof. Birklbauer, dass verdeckte Ermittler keine Tat provozieren dürften.

Umsetzung der von Kassenfunktionären erstellten Richtlinien sofort stoppen

Ich appelliert nun ein letztes Mal an die verantwortlichen Politiker, die Umsetzung der von Kassenfunktionären erstellten Richtlinien sofort zu stoppen. Ansonsten wird die Ärztekammer den Gang zum Verfassungsgerichtshof antreten, sowie einen entsprechenden Aktionsplan in den Ordinationen starten und sich auch bei Überschreitungen mit allen rechtlich zur Verfügung stehenden Möglichkeiten gegen die Kassenspitzel wehren. Es kann doch nicht sein, dass der Einsatz von Spitzel im öffentlichen Bereich sonst nur in einem klaren rechtsstaatlichen Verfahren zulässig ist, eine Bespitzelung von Ärztinnen und Ärzten sowie von Patientinnen und Patienten hingegen jeder Abteilungsleiter der kontrollierenden Stelle anordnen darf.