Gesundheitsbarometer: Umfrage bestätigt Positionen der Ärztekammer – Gesundheitspolitik agiert an den Bedürfnissen der Bevölkerung vorbei

Die Ärztekammer wollte die Meinung der österreichischen Bevölkerung zur Gesundheitspolitik auch im Detail kennen lernen und hat deshalb den Meinungsforscher Dr. Peter Hajek damit beauftragt, diese zu erheben. Es ist uns wichtig, die Bevölkerung mit einzubeziehen und zu wissen, wie die Patientinnen und Patienten die Gesundheitsversorgung tatsächlich einschätzen, welche Aspekte in der Primärversorgung wichtig sind, welche Rolle der Hausarzt dabei spielen soll und was sich die Patienten von einem zukünftigen medizinischen Versorgungssystem wünschen – und was nicht.

Die Antworten der 1.000 Befragten waren mehr als deutlich und zeichnen ein erschreckendes Bild der Ist-Situation. Sie zeigen, wie dramatisch die österreichische Gesundheitspolitik oft an den Bedürfnissen der Bürgerinnen und Bürger vorbei agieren. Das bestärkt uns als Kammer in unserer Arbeit. Wir werden unsere Positionen mit der Rückendeckung der Patientinnen und Patienten weiter stark und laut vertreten.

Ergebnisse der Umfrage und was sich daraus ergibt

• Die Sorgen der Ärztinnen und Ärzte teilen drei von vier Österreichern – 45% antworten darauf sogar „sehr“. Ein eindeutiges Ergebnis, das mit einem Blick nach Wien noch deutlicher wird: Denn in Wien, wo erst kürzlich Proteste stattgefunden haben, haben sogar 53% der Patienten sehr großes Verständnis für Protestmaßnahmen, insgesamt teilen 75% der Wiener die Sorgen der Ärzte – ein klares Ergebnis, das uns weiter in unseren Forderungen bestärkt.

• Im Detail sind die aktuellen Umfrageergebnisse für die Ärztekammer auch über die aktuellen Konflikte in Wien hinausgehend eine Bestätigung unserer Positionen und Forderungen. Im Folgenden einige Beispiele dafür.

• Dass der Aussage „Der klassische Hausarzt in Österreich hat sich gut bewährt und sollte unbedingt erhalten bleiben“ 95% der Befragten zustimmen, ist ein massives Abmahnen all jener Akteure im Gesundheitswesen, die den Hausarzt als „Auslaufmodell“ sehen und von Versorgungszentren ohne freie Arztwahl schwärmen. Und ein sehr klarer Auftrag an die Ärztekammer, sich auch weiterhin politisch für den Ausbau und die Weiterentwicklung des niedergelassenen Bereichs einzusetzen. Unser Konzept „Primärversorgung 2020“ liegt seit Februar vor und behält seine Gültigkeit. Es sieht neben den klassischen Hausärzten auch mehr Gruppenpraxen, erweiterten Gruppenpraxen und eine optimale Vernetzung zwischen diesen Leistungsanbietern vor.

• Auch die Behauptung von Politikern, Kassenfunktionären und Patientenanwälten, die Öffnungszeiten der Arztpraxen seien zu kurz, weshalb man unbedingt Versorgungszentren benötige, wird durch die Antworten massiv in Frage gestellt: Immerhin zeigen sich 86% mit den Öffnungszeiten praktischer Ärzte zufrieden, bei Fachärzten sind es 75%.

• Dass die Befragten mit den Wartezeiten insgesamt weniger zufrieden sind – bei Fachärzten liegt die Zufriedenheit bei 55% – verwundert nicht und bestätigt unsere langjährige Forderung nach zusätzlich 1.400 Kassenärzten, davon 300 in Wien. Das sehen auch die Befragten so, von denen sich 70% mehr Hausärzte und 72% mehr Fachärzte wünschen. Gesundheitspolitik und Kassen sind also gefordert, die Rahmenbedingungen im niedergelassenen Ärztebereich so attraktiv zu gestalten, dass die ärztliche Nachfrage steigt.

• Bezüglich der Rahmenbedingungen erkennen die Patienten sehr klar, dass der Verwaltungsaufwand in den Ordinationen deutlich reduziert gehört. Das deckt sich mit den entsprechenden Forderungen der Ärztekammer, die Formularflut für Kassenärzte endlich zu reduzieren und das sinnlose elektronische Arzneimittelbewilligungssystem endlich abzuschaffen. Es produziert in Österreich übers Jahr hochgerechnet 16,5 Millionen Minuten Wartezeit, die nichts bringen.

• Regelmäßig bemüht sich die Ärztekammer um einen Ausbau der kassenfinanzierten Präventions- und Vorsorgeleistungen, leider nicht immer mit Erfolg, wie zum Beispiel die aktuellen Entwicklungen um den Mutter-Kind-Pass zeigen. Dass auch 82% der Befragten diesen Ausbau wünschen, sollte von Politik und Kassen ernst genommen werden.

• Dass es der Politik bisher trotz aller Bemühungen nicht gelungen ist, der Bevölkerung ihr rundum problematisches Primary Healthcare Center-Konzept schmackhaft zu machen, verwundert nicht – 60% der Befragten wissen nicht, was das genau sein soll. Nur jeder Fünft vertraut in dieser Frage dem Gesundheitsministerium – der Ärztekammer hingegen vertraut jeder Zweite. Ein Votum, dass uns besonders freut und uns darin bekräftigt, drohende Fehlentwicklungen im Versorgungssystem auch weiterhin öffentlich zu kommentieren.

• In den vergangenen Jahren war in der Gesundheitspolitik der Trend bemerkbar, weitreichende Entscheidungen möglichst an der Ärzteschaft vorbei zu treffen. Man war der Meinung, auf ärztliche Expertise verzichten zu können und wollte sich gerne kritische Stellungnahmen ersparen. Dass das zu nichts Gutem führt, zeigen die mangelhafte Umsetzung bei ELGA und E-Medikation, PHC-Gesetzgebung, oder die diversen Sparprogramme, die in Wien bereits Proteste ausgelöst haben.

Erwartungen an Bundeskanzler Mag. Kern und Finanzminister Dr. Schelling

Wir fordern von ÖVP-Finanzminister Dr. Schelling eine faire Gesundheitsfinanzierung. Beim Budget 2017 liegt der Fokus auf dem Thema Sicherheit. Um den Österreichern Sicherheit zu bieten, braucht es aber auch eine sichere Gesundheitsversorgung. Der ehemalige Chef des Hauptverbandes der Sozialversicherungen ist hier aufgerufen die Versorgung sicher zu stellen, statt sie krank zu sparen. Im Gesundheitsbereich ist mit Mehrausgaben von 3 bis 4% zu rechnen, das muss im Finanzausgleich gewährleistet werden.

Da 41% der Befragten bereits finden, das Gesundheitssystem entwickle sich in die falsche Richtung, fordern wir eine breite Diskussion, um auch endlich die Bevölkerung miteinzubeziehen. Unsere Forderung an Bundeskanzler Mag. Kern bleibt ein institutionenübergreifender Gesundheitsversorgungsgipfel mit allen Stakeholdern. Seine lapidare Antwort auf unseren Wunsch nach einem Institutionen-übergreifenden Gipfel, für solche Themen sei nun einmal das Gesundheitsministerium zuständig, greift zu kurz: Krankenkassen, Hauptverband der Sozialversicherungsträger, die Ministerien für Gesundheit, Wissenschaft und Finanzen bis hin zu Landesregierungen und regionalen Spitalserhaltern müssen an einen Tisch.

Gesundheitsversorgung ist ein ebenso wichtiges wie umfassendes Thema, es muss endlich zur Chefsache werden. Dass 56% der Befragten finden, die Gesundheitspolitik höre zu wenig auf die Meinung der Ärzte, wird hoffentlich der Gesprächsbereitschaft der Politik zuträglich sein.