14. Dezember ist Streik- und Aktionstag der Ärzte – Maßnahmen gegen Kulmination gesundheitspolitischer Fehlentwicklungen

Ich habe heute auf einer Pressekonferenz bekannt gegeben, dass am Mittwoch, dem 14. Dezember ein Österreich-weiter „Streik- und Aktionstag“ stattfinden wird. An diesem Tag starten wir auch eine parlamentarische Bürgerinitiative.

Wir stehen heute vor der Kulmination gesundheitspolitischer Entwicklungen, die durch falsche Entscheidungen und problematische Weichenstellungen gekennzeichnet sind. Entwicklungen, vor denen die Ärztekammer bisher aus vielen Anlässen gewarnt hat. Konkreter Auslöser für die aktuellen Aktivitäten der Ärztekammer ist ein Bündel von Maßnahmen, das die Regierung unter harmlos klingenden Titeln wie „Finanzausgleich“ oder „Artikel 15a-Vereinbarung“ plant und das gestern im Gesundheitsausschuss auch so zur Weiterleitung ans Parlament beschlossen worden ist.

Diese Maßnahmen haben das Potenzial, Verschlechterungen im Gesundheitssystem bis hin zu dessen radikalem Umbau einzuleiten. Sie knüpfen an den mehrjährigen Bemühungen des Gesundheitsministeriums an, unter der Chiffre Primärversorgungs-Zentrum, PHC oder Primärversorgungs-Einheit das bewährte System der Wohnort-nahen Versorgung durch Haus- und Vertrauensärzte auszuhebeln, und die Ärzte stattdessen in Zentren zu konzentrieren. Das würde das Ende der ärztlichen Freiberuflichkeit, das Ende der freien Arztwahl und wohl auch das Ende der sozialen Medizin einläuten, weil solche Zentren für internationale Großkonzerne und für andere Investoren sehr interessant wären. Diese würden die Zentren dann wohl in Ketten organisieren und strikt gewinnorientiert betreiben. Der Schaden für unser Gesundheitssystem wäre gewaltig – ganz abgesehen davon, dass bei Umfragen 95 Prozent der Befragten sich mit den Leistungen ihrer Haus- und Vertrauensärzte zufrieden zeigen.

Weil das von der Regierung schon seit längerem geplante fragwürdige PHC-Gesetz bisher nicht so recht vom Fleck gekommen ist, probiert man es jetzt über die im Rahmen der Finanzausgleichsverhandlungen getroffenen Art. 15a-Vereinbarungen und das dazugehörende „Vereinbarungsumsetzungsgesetz“. Noch im Dezember soll dieses Gesetz im Parlament beschlossen werden.

Verschärft wird dieses Szenario durch das gesetzliche Festschreiben einer Mangelversorgung.

  1. zentraler Kritikpunkt: „Kostendämpfung“ ist eine Mogelpackung

Die Politik will den Anschein erwecken, dass es keine Einsparungen geben und die Versorgungsqualität dennoch gleich hoch bleiben wird. Sie vermeidet peinlich den Begriff „Einsparen“ und spricht stattdessen lieber von „Kostendämpfung“, was natürlich das Gleiche bedeutet.

Maßstab für die Entwicklung des Gesundheitsbudgets ist nicht der reale Bedarf der Bevölkerung, sondern ein Steigerungs-Deckel von 3,6 Prozent, der bis 2021 auf 3,2 Prozent heruntergefahren werden soll. Wir wissen aber, dass die reale Steigerung bei knapp fünf Prozent pro Jahr liegen müsste, wenn man das Versorgungsniveau halten will. So gerechnet, werden den Patienten in den kommenden Jahren 4,3 Milliarden Euro für die Gesundheit vorenthalten.

Vieles ist hier eine Mogelpackung: Jene 200 Millionen Euro, die von der Politik in den Ausbau der Primärversorgung gesteckt werden sollen, sind kein zusätzliches Geld. Sie werden aus dem Budget der Krankenversicherung herausgenommen. Um diese Lücke zu füllen, wird bei anderen Kassenleistungen gespart werden, und das werden die Patienten zu spüren bekommen.

  1. zentraler Kritikpunkt: Vorrang von niedergelassenen Praxen soll fallen

Derzeit sieht das Krankenanstaltenrecht einen Vorrang für niedergelassene Arzte gegenüber Ambulatorien vor. Offensichtlich soll es pro futuro möglich sein, (insbesondere kasseneigene) Ambulatorien als Ersatz für die niedergelassene Ärzteschaft auch ohne die bisher vorgesehene spezielle Bedarfsprüfung einzurichten. Gerade aber die Leistungserbringung in den niedergelassenen Praxen war jahrzehntelang aufgrund ihrer Flächendeckung, Flexibilität und Patientennähe das Erfolgskonzept unserer Gesundheitsversorgung.

  1. zentraler Kritikpunkt: Die Politik glaubt, bei Entscheidungen auf die Sachkenntnis der Ärzteschaft verzichten zu können

Am Beispiel der Kassenstellen: Bisher haben Krankenkasse und Ärztekammer die Versorgungsplanung des niedergelassenen Bereichs einvernehmlich im Wege von Stellenplänen vorgenommen. Diese sind ein wesentlicher Bestandteil der Gesamtverträge. lch weise mit Nachdruck darauf hin, dass es bisher stets die Ärztekammern waren, die – häufig gegen den Willen der Kassen – eine bessere, patientenorientierte Versorgung eingemahnt und durchgesetzt haben. Dennoch sind schon jetzt aufgrund der Spartendenzen der Kassen Ausbaudefizite deutlich spürbar.

Künftig will die Politik aber auf die Expertise der Ärzteschaft völlig verzichten. Das ist so, als würde der Bund mit der Wirtschaftskammer einen Kollektivvertrag aushandeln, ohne die Gewerkschaft einzubinden. In Zukunft will man die Planung des niedergelassenen Bereiches offensichtlich nur noch nach ökonomischen – anstatt nach medizinisch notwendigen – Gesichtspunkten vornehmen.

Die konkreten Forderungen der Ärztekammer:

  1. Keine weiteren Einsparungen. Das Gesundheitsbudget muss sich am realen Bedarf der Bevölkerung orientieren.
  2. Breites, wohnortnahes Angebot und individuelle Wahlmöglichkeiten statt einheitlicher Staatsmedizin.
  3. Ärztinnen und Ärzte in die Planung einbinden – für ein patientenfreundliches medizinisches Angebot.
  4. Vorrang für ambulante Versorgung in (Gruppen-)Praxen niedergelassener Ärztinnen und Ärzte. Primärversorgungszentren müssen auf ärztlichen Gruppenpraxen basieren und von Ärzten geleitet werden.
  5. Funktionierende Versorgungssysteme weiter ausbauen und weiterentwickeln.

Geplante Aktionen und Appell an Parlamentsabgeordnete

In ganz Österreich wird am 14. Dezember Medienarbeit betrieben und die  parlamentarische Bürgerinitiative vorgestellt.

In den Bundesländern wird es am 14. Dezember einen Streik- und Aktionstag mit unterschiedlichen Aktivitäten geben:

  • Wien: Ordinationsschließungen der Hausärzte
  • Niederösterreich: Aktionstag und Bewerbung des Volksbegehrens SOS Medizin
  • Burgenland: Ordinationsschließungen und Info-Veranstaltungen
  • Steiermark: Info-Veranstaltungen und Aktionen; aufrechter Kündigungsbeschluss des Gesamtvertrages
  • Kärnten: Ordinationsschließungen; Info-Veranstaltungen in der Ärztekammer; Unterstützung des Volksbegehrens SOS Medizin
  • Oberösterreich: Aktionstag; aufrechter Kündigungsbeschluss des Gesamtvertrages
  • Salzburg: Aktion und Information; Aufklärung in den Ordinationen
  • Tirol: Aktionstag
  • Vorarlberg: Informationsveranstaltungen in Einkaufszentren

Den Abg. z. NR mit auf den Weg gegeben

Den Parlamentsabgeordneten möchte ich aber noch etwas mit auf den Weg geben: Wir werden sehr genau darauf achten, welche Nationalratsabgeordneten für dieses Gesetz stimmen. Mit ihrer Zustimmung tragen sie zu einer weiteren Bürokratisierung des Gesundheitssystems und zu einer Verschlechterung der Versorgung bei. Außerdem öffnen sie Großkonzernen das Tor zu unserem solidarischen System, sodass diese dann die neu geschaffenen Versorgungszentren übernehmen und nach dem Prinzip der Gewinnmaximierung führen können. Genau diese Abgeordneten werden wir dafür verantwortlich  machen, wenn es keinen wohnortnahen Hausarzt mehr gibt.