Die überfällige Abschaffung der Chefarztpflicht und das „Imageproblem“ des Hauptverbandes

Vor einigen Tagen habe ich bei einer Pressekonferenz das Ende der Chefarztpflicht gefordert. Denn nichts spricht für die Beibehaltung dieses unnötigen Instruments zur Aufblähung der Bürokratie und zur Verkomplizierung der Behandlung: So gut wie jeder niedergelassene Arzt kann darüber berichten, wie zufallsabhängig und willkürlich die Bewilligungen oft sind. Die Chefarztpflicht behindert Patienten und Ärzte, sie erschwert den Zugang zu notwendigen Therapien und ist oft genug intransparent und mutwillig. Sie ist überflüssig und hat in einem modernen und bürgernahen System nichts verloren.

Etwa so argumentierte ich also auf unserer Pressekonferenz, und sehr viele Medien haben darüber berichtet. Ich habe inzwischen aufgehört zu zählen, wie viele positive Reaktionen ich seither bekommen habe. Offensichtlich trifft diese Forderung einen Punkt, der niedergelassenen Ärzten, aber auch vielen Patienten besonders wichtig ist. Entsprechend ermutigt, werden wir unsere Aktivitäten gegen dieses antiquierte Instrument einer obrigkeitlichen Attitüde umso intensiver fortsetzten.

Schluss mit der Chefarztwillkür sparefroher Gesundheitsbürokraten

Klar, dass die Reaktion des Sozialversicherungs-Bürokraten nicht lange auf sich warten ließ – wer verzichtet schon gerne auf „wohlerworbene“ Kontrollrechte. Für die „Versichertengemeinschaft“, so der Hauptverband, werde durch die Chefarztpflicht „ein wesentlicher Beitrag zu einem sorgfältigen und effizienten Einsatz von Beitragsgeldern erbracht“. Dieses Argument fügt sich nahtlos in die Tradition des rigorosen Einsparens von Gesundheitsausgaben durch die „Gesundheitsreformer“. Immer dann, wenn politisch verordnete Sparziele erreicht oder beflissen übererfüllt wurden, gibt es von der Versicherungsbürokratie Beifall-heischende Presseaussendungen – gerade so, als sei ihr oberstes Ziel Sparen um des Sparens willen. Wobei, auch das sei erwähnt, die Einsparpotenziale der Chefarztpflicht, von denen die Versicherungen ausgehen, alles andere als unumstritten sind.

Derzeit ist es jedenfalls so, dass die Kassen massiv einsparen und/oder Gelder bunkern. Geld ist also offensichtlich vorhanden. Umso weniger brauchen wir die Chefarztwillkür sparefroher Gesundheitsbürokraten.

Angesichte der Vorstellung, beim Verfolgen ihrer Sparziele durch ein Ende der chefärztlichen Verschreibungsbehinderungs-Politik womöglich etwas gebremst zu werden, schlug der HV gleich höchst unlauter zurück. Dass sich bei einer aktuellen ecoquest-Umfrage 96 Prozent der Befragten mit ihrem Hausarzt zufrieden zeigten, war den HV-Strategen wohl ein Dorn im Auge. Schließlich hatten „Gesundheitsreformer“ noch vor ein paar Monaten die glorreiche Idee, niedergelassene Ärzte allmählich abzuschaffen und in irgendwelchen Versorgungszentren unterzubringen, bevor dieser Unfug auf Druck der Ärztekammer zurückgezogen werden musste. Also war ein Untergriff angesagt: Als Antwort auf die tollen Umfrageergebnisse pro niedergelassene Ärzte holte der HV rasch eine ihm genehmere GfK-Umfrage aus dem Archiv, in der – allen Ernstes – behauptet wurde, Hausärzte hätten bei der Bevölkerung „ein massives medizinisches Imageproblem“.

Das Archiv ist der Feind des Tricksers

Doch das Archiv ist manchmal der Feind des Tricksers. Wie war es wirklich? „Fast jeder Österreicher (93 Prozent) gibt an, einen Haus- oder Vertrauensarzt zu haben, der auch regelmäßig aufgesucht wird – im Schnitt zwischen 4-5 Mal pro Jahr“, wurden ursprünglich die GfK-Ergebnisse auf der HV-Website wiedergegeben. Ein „massives medizinisches Imageproblem“ ist da jedenfalls nicht erkennbar, ganz im Gegenteil. Aber es folgt des Rätsels erhellende Lösung: „Man hat zwar einen Haus-/Vertrauensarzt“, räumt der HV ein, aber „immerhin 45 Prozent der Befragten österreichweit gehen gleich direkt zum Facharzt und weitere 7 Prozent suchen die Spitalsambulanzen auf.“

Interessant, dieser dürftig konstruierte Zusammenhang: Menschen, die einmal oder öfter direkt ihren Gynäkologen, Urologen, Hals-Nasen-Ohren-Arzt, Hautarzt etc. oder eben eine Spitalsambulanz aufsuchen, tun das also nicht, weil sie einfach einen Termin bei einem Facharzt benötigen, sondern weil ihr Hausarzt ein „medizinisches Imageproblem“ hat. Was soll man zu so viel Unsinn noch sagen?

Das „Imageproblem“ des Hauptverbandes ist damit sicherlich nicht kleiner geworden.