Ärzteknappheit im Spital verschärft Versorgungskrise auch im niedergelassenen Bereich – Österreich braucht sofort wirksames Kriseninterventions-Paket

Derzeit treffen im österreichischen Gesundheitssystem eine Reihe von Fehlentwicklungen zusammen wie Personalknappheit in den Spitälern, Austrocknen des niedergelassenen Bereichs, Pensionswelle bei Ärzten, ausbleibender Ärztenachwuchs in Folge unattraktiver beruflicher Rahmenbedingungen und ein problematischer  Sparkurs namens ‚Kostendämpfungspfad“. Die aktuelle Arbeitszeit-Diskussion um die Spitäler bringt jetzt das Fass zum Überlaufen.

Spitäler werden viele Leistungen nicht mehr erbringen können. Der niedergelassene Bereich, in den viele Patienten auszuweichen versuchen werden, wird diese Patienten nicht auffangen können. Viele von ihnen werden zwischen diesen beiden Bereichen der Versorgung durchfallen.

Eine Arbeitszeitreduktion bei Spitalsärzten von 60 auf 48 Wochenstunden bedeutet ein Minus von 20 Prozent, von dem man im Detail noch nicht wissen könne, wie negativ es sich auf die Leistungsfähigkeit der Spitäler auswirken wird. Werden die Ambulanzleistungen um nur 10 Prozent zurückgefahren, bedeutet das 1,72 Millionen Ambulanzfälle, die nicht mehr im Spital versorgt werden. Es ist also mit einer Versorgungs-Lawine von den Spitälern in Richtung Arztpraxen zu rechnen.

Ein gut ausgestatteter niedergelassener Bereich könnte tatsächlich die jetzt in Bedrängnis geratenen Spitäler in einigen Bereichen wirksam entlasten. Doch den gibt es in Österreich nicht, weil dieser von der österreichischen Gesundheitspolitik und -bürokratie seit Jahren behindert wird.

Kriseninterventions-Paket soll aktuelle Fehlentwicklungen bremsen

Als Anwälte der Patienteninteressen fordern wir dringend ein wirksames Kriseninterventions-Paket, das unter anderem die folgenden Maßnahmen umfassen muss:

  1. Zusätzlich mindestens 1.300 Arztpraxen mit Kassenvertrag.

Es gibt heute rund 900 niedergelassene Ärzte mit Kassenvertrag weniger als im Jahr 2000, und das bei gleichzeitig steigender Bevölkerungszahl. Österreich braucht mindestens 1.300 Arztpraxen mit Kassenvertrag zusätzlich, davon 300 in Wien, um die Spitäler zu entlasten und um wieder auf den Versorgungsstand des Jahres 2002 zu kommen.

  1. Sofortige Aufhebung sämtlicher Deckelungen.

Im niedergelassenen Bereich gibt es auch eine Reihe struktureller Probleme, zum Beispiel bei der Honorierung: Wurde in einer Kassen-Ordination eine bestimmte Anzahl von Patienten betreut, treten so genannte Deckelungen in Kraft. Auch das kann, neben der Tatsache der Ärzteknappheit, die Wartezeiten auf Untersuchungstermine verlängern. Es bedarf deshalb der sofortigen Aufhebung aller Deckelungen.

  1. Sofortige Aussetzung zeitraubender Bürokratie in den Ordinationen.

Der bürokratische Aufwand z. B. für die Formular- und Antragsflut, für die Chefarztpflicht und das Arzneimittel-Bewilligungs-System (ABS) ist beträchtlich. All das kostet Ärzte wertvolle Zeit, die sie besser nützen könnten, indem sie mehr Patienten behandelt. Wir fordern deshalb die sofortige Aussetzung zeitraubender Bürokratie in den Ordinationen.

Sozialversicherungen bunkern Finanzvermögen von 3,8 Milliarden Euro

Das Argument, es seien keine zusätzlichen Mittel für das Gesundheitssystem vorhanden, ist unzutreffend: Das Geld ist da, bloß ist es bei einigen Kassen gebunkert. So hielt der Rechnungshof in seinem Bericht „Vermögensmanagement ausgewählter Kranken- und Unfallversicherungsträger“ (Dez. 2014) fest, dass alle Sozialversicherungsträger Österreichs gemeinsam im Jahr 2013 insgesamt über ein Finanzvermögen von 3,835 Milliarden verfügten, davon 1,022 Milliarden in Wertpapieren und 2,813 Milliarden in Einlagen.

Gebunkertes Geld der Sozialversicherungen muss dafür eingesetzt werden, die Versorgungskrise in den Griff zu bekommen. Jetzt ist die Politik gefordert, den Sozialversicherungen entsprechende Vorgaben zu machen, wie ihre Milliardenvermögen im Sinne der Patienten eingesetzt werden sollen.