Nur gemeinsam stark

Der Befund, dass sich die Bedürfnisse und Wünsche der Bevölkerung und das Agieren der Politik immer weiter voneinander entfernen, ist nicht neu. Es ist trotzdem erstaunlich, wie viele anschauliche Belege für diese betrübliche Diagnose die Gesundheitspolitik in der jüngsten Vergangenheit wieder einmal geliefert hat. Da stehen zum Beispiel in Spitälern einem steigenden Patientenbedarf oftmals zu wenig Personal, ein angekündigter Stellenabbau, weniger ärztliche Arbeitszeit und ein Überstundenverbot gegenüber.

Angriffe in letzter Minute abgewehrt

Umfragen zeigen, dass 95 Prozent der Patienten mit den Leistungen niedergelassener Ärzte zufrieden sind. Die Politik jedoch möchte dieses bewährte System sukzessive durch Zentren ersetzen, und setzt dabei die wohnortnahe Versorgung und die freie Arztwahl aufs Spiel. In Berufsimage-Rankings erfreuen wir Ärzte uns höchster Werte, doch viele Politiker sprechen uns unsere Kompetenz ab, empfinden unsere konstruktive Kritik an ihren Fehlentscheidungen als Majestätsbeleidigung und möchten uns am liebsten in Zentren arbeiten lassen, wo man uns besser kontrollieren kann – durch den Staat, durch Krankenkassen oder Großkonzerne.

Politik und Bürger leben mitunter in unterschiedlichen Welten 

Die Gesundheitsversorgung liefert also eine Menge anschauliches Material darüber, dass Politik und Bürger mitunter in unterschiedlichen Welten zu leben scheinen. Wir wollten diese Diagnose wissenschaftlich erhärten und haben den Meinungsforscher Peter Hajek damit beauftragt, 1.000 Menschen dazu zu befragen und ein „Gesundheitsbarometer 2017“ zu erstellen. Die Ergebnisse sind besorgniserregend: Ende 2016 waren bereits 51 Prozent der Österreicher davon überzeugt, dass sich unser Gesundheitssystem in die falsche Richtung bewegt – im März waren davor das noch 40 Prozent.

Auch ist es der Politik nicht gelungen, die Bevölkerung über den Sinn von Primärversorgungszentren – immerhin eine Herzensangelegenheit maßgeblicher Politiker – aufzuklären. Bloß etwas mehr als die Hälfte der Befragten meint zu wissen, was so ein Zentrum ist. Bei genauerem Nachfragen zeigt sich, dass Zentren, wie sie sich die Politik wünscht bzw. wofür sie derzeit die Grundlagen schafft, definitiv nicht das sind, was die Menschen wollen. Dass nach den Regierungsplänen Ärztezentren künftig nicht mehr nur von Ärzten, sondern auch von Unternehmen geführt werden können, finden 71 Prozent der Befragten nicht sinnvoll.

Auch den geplanten Ausschluss der Ärztevertretung aus Entscheidungsprozessen, wo und wann Arztpraxen oder Ärztezentren ausgesperrt bzw. geschlossen werden, finden 73 Prozent nicht gerechtfertigt. Das ist ein klares Misstrauensvotum gegen diese politischen Vorhaben. Der Rückhalt bei der Bevölkerung bestätigt uns in unserem Engagement, gegen solche Weichenstellungen aufzutreten, die das Potenzial haben, unser Gesundheitssystem nachhaltig zu beschädigen.

Sehr klar äußert sich die Bevölkerung auch zum Thema Finanzierung: 80 Prozent sind davon überzeugt, dass aufgrund des Bevölkerungswachstums, der älter werdenden Gesellschaft und der Fortschritte der modernen Medizin mehr finanzielle Mittel nötig sein werden. Jeder zweite ist gegen die von der Regierung geplante Begrenzung der Gesundheitsausgaben. Das zeigt einen gut ausgeprägten Realitätssinn.

Gegen politisch-bürokratisch definierte Leistungs- oder Ausgabendeckel 

Meine Position dazu ist eindeutig: Politisch-bürokratisch definierte Leistungs- oder Ausgabendeckelungen im Gesundheitssystem sind abzulehnen, sowohl in Kassenarztpraxen als auch in der Versorgung generell. Maßstab für die Finanzierung muss der reale Bedarf der Patienten sein.

Gerade einmal 18 Prozent der Befragten vertrauen in Fragen der Finanzierung des Gesundheitssystems noch dem Gesundheitsministerium, etwa halb so viele wie der Ärztekammer. Folgerichtig finden 62 Prozent, dass die Gesundheitspolitik zu wenig auf die Meinung der Ärztinnen und Ärzte hört. Und immerhin 70 Prozent der Bürger teilen unsere Sorgen über ein Kaputtsparen des Gesundheitssystems und haben Verständnis für Protestmaßnahmen.

Eindeutiger Auftrag, gegen Schwächung der Ärzteschaft aufzutreten

Für mich sind diese Umfrageergebnisse ein eindeutiger Auftrag, auch 2017 gegen Angriffe auf eine bewährte Gesundheitsversorgung und gegen jede Schwächung der Ärzteschaft durch die Politik aufzutreten. Unsere Forderung nach einem Gesundheitsgipfel unter Einbeziehung von Ärzten und Patienten ist unverändert aktuell. Hier treffen sich die Anliegen der Ärzte mit jenen der Patienten.  Denn nur gemeinsam sind wir stark.