Wir brauchen „Gesundheits-Sommergespräche“ zur Lösung von Versorgungsproblemen

Die österreichische Gesundheitsversorgung ist mehr als je zuvor geprägt durch gesundheitspolitische Baustellen, ungelöste Probleme und unklare Zukunftsperspektiven. Davon sind heute hunderttausende Patienten unmittelbar betroffen, die mit überlangen Wartezeiten auf Operationen, mit nicht ausreichend leistungsfähigen Spitalsambulanzen, und mit einem überforderten, weil seit Jahren von der Politik vernachlässigten niedergelassenen Bereich konfrontiert sind.

Wir brauchen deshalb endlich ein entschlossenes, gemeinsames und lösungsorientiertes Vorgehen. Politik, Sozialversicherungen und Ärzteschaft sollten hier ein positives Zeichen setzen. Wir sollten gemeinsam den Rest des Sommers nützen, um Versorgungsprobleme vorurteilsfrei zu analysieren und um gemeinsam konstruktive Lösungen zu diskutieren, wir brauchen also „Gesundheits-Sommergespräche“. Denn so wie es derzeit ist, darf es im Interesse einer guten Gesundheitsversorgung nicht weitergehen. Themen gibt es mehr als genug.

Problemzonen der österreichischen Gesundheitsversorgung

So hat die Gesundheitspolitik die Auswirkungen des 2015 in Kraft getretenen Ärztearbeitszeitgesetzes unterschätzt. Durch Arbeitszeitverkürzung und Ruhebestimmungen kommt es in vielen Spitälern zu Leistungskürzungen und langen Wartezeiten, und viele Patienten müssen in den niedergelassenen Bereich ausweichen. Die Kassenpraxen können jedoch diese zusätzlichen Patienten nicht auffangen, weil sie von Honorardeckelungen und Minder- oder Nichtbezahlung ab einer bestimmten Leistungsmenge betroffen sind. Dieses überholte System gehört reformiert.

Die rasch abnehmende Zahl von Arztpraxen mit Kassenvertrag gefährdet die soziale Medizin. Es gibt heute in Österreich rund 900 weniger als vor 15 Jahren, heute leben aber rund eine halbe Million Menschen mehr in Österreich. Dieses Auseinanderklaffen der demografischen Entwicklung und der kassenärztlichen Versorgung bedeutet für alle, die sich keinen Wahlarzt leisten können, ein ernstes Problem. Wir brauchen also zumindest 1.300 zusätzliche Arztpraxen mit Kassenvertrag.

Es gibt bereits eine spürbare Ärzteknappheit, und Österreich steuert auf einen veritablen Ärztemangel zu. Hier müssen politische Aktionen gesetzt werden, um dem Ärztemangel entgegen zu steuern. Die Rahmenbedingungen des Arztberufs müssen wieder attraktiver werden.

Für eine bessere Versorgung bedarf es einer Vielzahl flexibler Kooperationsmöglichkeiten zwischen Ärzten. Primärversorgungszentren sind nur dann eine akzeptable Lösung, wenn sie im Rahmen eines Gesamtvertrages zwischen Kassen und Ärztekammer und unter der medizinischen und unternehmerischen Verantwortung von Ärzten stehen. Da muss gemeinsam eine gute und tragfähige Lösung gefunden werden.

Sinnloser Bürokratieaufwand für niedergelassene Mediziner muss abgebaut werden. Sie sollen die ohnehin knappe Zeit nicht mit Chefarztpflicht oder elektronischer Arzneimittelbewilligung vergeuden, sondern sich um Patienten kümmern. Auch die per Gesetz beschlossene Pflicht zur Identitätsfeststellung von Patienten bringt ein Plus an Bürokratie und weist ebenso in die falsche Richtung wie das „Mystery Shopping“.

Bei der elektronischen Gesundheitsakte ELGA sind wesentliche Punkte wie der Datenschutz, die Befundvollständigkeit und einige rechtliche Fragen ungeklärt. ELGA sollte im Interesse von Patienten und Ärzten neu überdacht werden.

Im Zusammenhang mit der Vorsorgeuntersuchung und dem Mutter-Kind-Pass stehen wesentliche Entscheidungen aus. In so wichtigen Bereichen, die ständig an den neuesten Stand der Medizin angepasst werden sollten, ist das besonders heikel.

Und nicht zuletzt ist die „Gesundheitsreform“ mit ihrem „Kostendämpfungspfad“, der die Gesundheitsausgaben an das BIP knüpft, gerade in wirtschaftlichen schwierigen Zeiten problematisch.

Ärzteschaft steht gerne zur Verfügung

Angesichts solcher ungelösten Probleme und Fehlentwicklungen plädiere ich dringend an die Verantwortlichen im Gesundheitssystem, den Rest des Sommers zu nützen und sich für den Modus einer konstruktiven Lösungsbereitschaft zu entscheiden. Solche Probleme können nur gemeinsam mit der Ärzteschaft gelöst werden, und diese stehe sehr gerne für solche Gespräche zur Verfügung. Die Schwachstellen und Problemzonen unserer Gesundheitsversorgung sind offensichtlich und allgemein bekannt. Mit etwas gutem Willen sollte es möglich sein, zu einer Annäherung der Standpunkte zu kommen und positive Lösungen zumindest im Ansatz zu definieren und dann auf den Weg zu bringen.