Klare Worte des ÖVP-Gesundheitssprechers zur „Primärversorgung“ – Und besser keine Gesundheitspolitik ohne Ärzte

Erfreulich klare Worte in den heutigen Medien von ÖVP-Gesundheitssprecher Dr. Erwin Rasinger, der „mit allen Mitteln verhindern“ will, dass „der Hausarzt zerstört wird“, indem fragwürdige Primärversorgungs-Konzepte implementiert werden. Dr. Rasinger verweist völlig zu Recht darauf, dass Primärversorgungszentren (PVZ) den Nachteil bergen können, dass eine durchgängige persönliche Betreuung des Patienten durch einen Arzt nicht mehr möglich sei. Außerdem seien die Zentren in der Regel nicht in Gehweite der Patienten. PVZ würden eine „deutliche Verschlechterung“ der Gesundheitsversorgung bedeuten. Vielmehr müsse, so betont Dr. Rasinger, der Hausarzt erste Anlaufstelle für Patienten sein und auf allen Ebenen aufgewertet werden.

Auf so eine präzise und realistische Stellungnahme in Sachen PVZ seitens eines Vertreters einer Regierungspartei haben Ärzte und Patienten schon längere Zeit gewartet. Dass sie jetzt vom führenden Gesundheitspolitiker einer Koalitionspartei gekommen ist, lässt hoffen. Denn PVZ sind natürlich keineswegs der „Stein der Weisen“, als der sie von ihren Befürwortern gerne gepriesen werden. Vielmehr verdrängt die aktuelle PVZ-Diskussion oft, dass Österreichs niedergelassene Ärzte seit vielen Jahrzehnten sehr erfolgreich – und, wie Befragungen von Patienten zeigen, zu deren höchster Zufriedenheit – Primärversorgung betreiben. Und gegen eine – angeblich ein weiterer PVZ-Benefit – sinnvolle Vernetzung der Ärzte mit anderen Gesundheitsberufen, wird – abgesehen davon, dass es die vielerorts längst gibt – wohl niemand etwas haben, sofern sie vernünftig gestaltet ist. Dafür brauchen wir jedenfalls keine PVZ.

Wir wollen aber auch nicht vergessen, dass vor ziemlich genau einem Jahr im Gesundheitsministerium Konzepte für PVZ erarbeitet wurden, die letztlich auf eine Abschaffung des niedergelassenen Arztes, eine Abschaffung des Gesamtvertrages zwischen Ärztekammer und Krankenkassen, und eine Abschaffung der freien Arztwahl hinausliefen: Staatsmedizin pur. Insgesamt hätte das eine Revolution im Gesundheitswesen und eine massive Verschlechterung der Gesundheitsversorgung bedeutet. Erst durch ein massives gemeinsames Auftreten der österreichischen Ärzteschaft ist es gelungen, diesen gesundheitspolitischen Irrwitz im letzten Moment zu stoppen.

Geplantes PVZ-Gesetz: aus den Fehlern der Vergangenheit lernen

Derzeit arbeitet man im Gesundheitsministerium erneut an einem PVZ-Gesetz, und es ist sehr zu hoffen, dass die politisch Verantwortlichen aus den Fehlern der Vergangenheit gelernt haben. Aus Sicht der Ärzteschaft sind die Vorgaben klar: Primärversorgung muss im Rahmen von Gesamtverträgen unter der medizinischen und unternehmerischen Leitung von Ärzten stattfinden. Unter diesen Voraussetzungen, zu denen es in Wirklichkeit keine sinnvollen Alternativen gibt, können wir gerne verhandeln. Einer weiteren Schwächung des niedergelassenen Bereichs durch ideologisch motivierte PVZ-Konzepte werden wir im Interesse einer guten Versorgung niemals zustimmen.

Die Gesundheitsreform-Nöte von Mag. Reischl

Vor ein paar Tagen von einem kurzen USA-Besuch zurückgekehrt, stieß ich bei der Zeitungslektüre auf die Besorgnis von Mag. Reischl, WGKK-Obfrau und Vorsitzende der Trägerkonferenz im Hauptverband der Sozialversicherungsträger, dass die „Gesundheitsreform“ stocke und dass die Ärztekammer für Verzögerungen mitverantwortlich sei. Als angeblich besonders problematisches Beispiel führt sie an, das es für zwei PVZ-Pilotprojekte in Wien 38 Verhandlungsrunden gegeben habe. Ich dachte bisher eigentlich, dass ausführliches Verhandeln in einem demokratischen Entscheidungsfindungs-Prozess etwas Positives und eine Selbstverständlichkeit sei, und außerdem eine Voraussetzung für vernünftige Ergebnisse. Aber bitte. Nachdem es seitens der Ärztekammer sehr klare Antworten auf die Bedenken von Mag. Reischl gab, wähnte ich das Thema zu Recht als beendet.

Doch bei der gestrigen Lektüre einer Sonntagszeitung fand ich das Thema und die Bedenken von Mag. Reischl in aufgekochter Form erneut vor, deshalb hier mein kurzer Kommentar dazu:

Vielleicht sollte die WGKK-Obfrau nicht übersehen und künftig stärker mit bedenken, das sich viele gesundheitspolitische Vorhaben als Rohrkrepierer herausgestellt haben, bei denen die Ärzteschaft nicht oder nicht ausreichend eingebunden war. Oder Argumente der Ärzte einfach vom Tisch gewischt wurden. Dazu zählen die „Gesundheitsreform“ mit ihren „Kostendämpfungspfaden“, die immer noch in zentralen Punkten unklare und nicht ausgereifte ELGA, oder die Entwürfe zu einem Primärversorgungssystem aus dem vergangene Jahr – um nur einige Beispiele zu nennen. Es bleibt auch abzuwarten, wie sich das gegen alle Warnungen der Ärztekammer gesetzlich durchgedrückte „Mystery Shopping“ und die Identitätsfeststellungspflicht im niedergelassenen Bereich sowie in Spitalsambulanzen praktisch auswirken werden.

Vielleicht wird Frau Mag. Reischl im Zuge ihrer Reflexionen über den trüben Fortgang der „Gesundheitsreform“ zum Ergebnis kommen, dass Gesundheits- und Gesundheitspolitik-relevante Projekte besser nicht ohne entsprechende Berücksichtigung der Vorstellung der Ärzteschaft geplant und durchgeführt werden sollten. Ärzte wissen auf Grund ihrer beruflichen Tätigkeit, welchen Nutzen oder Schaden Veränderungen in unserem Gesundheitssystem mit sich bringen können. Sie können die Auswirkungen auf den Ordinationsalltag und die Versorgung der Patienten abschätzen, und schließlich müssen sie die neuen Konzepte und „Reformen“ dann auch praktisch leben. Das ergibt eine völlig andere und wesentlich realitätsnähere Perspektive, als jene von Gesundheitspolitikern, -bürokraten und -ökonomen.

Deshalb, Frau Mag. Reischl, künftig besser keine Gesundheitspolitik ohne Mitwirkung der Ärzte. Dann werden Sie auch weniger Grund zum Klagen haben.