Wichtige Diskussion zu Komplementärmedizin – Ziel muss bestmögliche Patientenversorgung sein

Wir haben vergangene Woche in der Wiener Ärztekammer eine Veranstaltung über Perspektiven und Grenzen der Komplementärmedizin  veranstaltet, gemeinsam mit dem „Dachverband für ärztliche Ganzheitsmedizin“, der heuer 30 Jahre alt wird, wozu ich sehr herzlich gratuliere. Dazu hier ein Nachtrag, der mir wichtig erscheint.

Neben dem erfreulichen Jahrestag gab und gibt es noch ein Motiv für diese Veranstaltung, die auch innerhalb der Ärzteschaft zu Diskussionen führte: Aktuell werden die Komplementärmedizin im Allgemeinen und einige ihrer Verfahren im Besonderen sehr kontrovers diskutiert – nicht nur in Österreich, sondern in mehreren europäischen Ländern. Ein Beispiel dafür ist, in welch unterschiedlicher Art und Weise Medizinuniversitäten im In- und Ausland mit dem Thema Komplementärmedizin umgehen.

Die öffentlichen Auseinandersetzungen dazu erscheinen mir häufig sehr emotional bestimmt. Ich halte Diskussionen in der Medizin dann für etwas besonders Sinnvolles, wenn sie ergebnisoffen und mit seriösen Argumenten geführt werden. Beim Thema Komplementärmedizin scheinen mir allerdings diese Kriterien nicht immer erfüllt zu sein.

Ich persönlich setze als Facharzt für Urologie keine komplementärmedizinischen Verfahren ein, kann also nicht aus eigener Erfahrung sprechen und enthalte mich jeder Positionierung in dieser Frage. Umso mehr begrüße ich Veranstaltungen und Diskussionen zum Thema Komplementärmedizin. Ich hoffe, dass sie zu einer fruchtbaren Diskussion beiträgt und dass die gebotenen Inhalte zu einer fundierten Standortfindung beitragen. Unser Ziel muss die bestmögliche Versorgung von Patienten sein.

In diesem Zusammenhang ist auch daran zu erinnern, dass der Begründer der Evidence Based Medicine, Prof. David Sackett, nicht nur Randomisierte kontrollierte klinische Studien und wissenschaftliche Literatur als Evidenz gelten ließ, sondern auch die Erfahrung des Arztes und die Präferenz des Patienten – Heilkunde sei nun einmal mehr als die bloße Anwendung von Studienergebnissen. Und nicht zuletzt ist darauf hinzuweisen, dass immer wieder Methoden der Komplementärmedizin durch zunehmendes forschungsbasiertes Wissen zu „schulmedizinischen“ Methoden werden – die Phytotherapie zum Beispiel liefert hier eine Reihe eindrucksvoller Beispiele.

Die Situation in Österreich ist unter anderem dadurch gekennzeichnet, dass sich Umfragen zufolge eine große Mehrheit der Patienten komplementäre Behandlungen wünscht. Und wir verfügen über eine große Zahl von Ärzten, die in komplementärer Medizin gut ausgebildet sind. Rund ein Drittel der bisher rund 37.000 ÖÄK-Diplome betreffen Methoden der Komplementärmedizin und der Traditionellen Medizin. Damit ist sichergestellt, dass Komplementärmedizin von auch schulmedizinisch ausgebildeten Ärztinnen und Ärzten angewendet wird. Das ist ein wichtiges Kriterium der Qualitätssicherung.

Mit Sorge beobachte ich, wie immer mehr Vertreter anderer Berufe in den Gesundheitsmarkt drängen und zum Teil dubiose Verfahren anbieten, wobei die Grenze zur Krankheitsbehandlung bei Weitem nicht immer eingehalten wird. Das sind für Patienten potenziell gefährliche Trends, die wir im Auge behalten müssen.

Aus all diesen Gründen halte ich Diskussionen über Komplementärmedizin für wichtig.