Chronische Herzinsuffizienz: Niedergelassene Ärzte sind nicht nur in der Erstversorgung „Best Point of Service“ – aber man muss ihnen auch die Möglichkeit geben!

Ein Beitrag zum Europäischen Tag der Herzinsuffizienz:

Wie bekannt uns das auch aus anderen Therapiebereichen vorkommt: Auch bei der Herzinsuffizienz stehen Patienten einmal mehr vor dem Problem, dass sie bei niedergelassenen Ärzten die bestmögliche, wohnortnahe, niedrigschwellige und für das Gesundheitssystem preiswerteste Versorgung bekommen könnten. Der Zugang zu dieser Versorgung am „Best Point of Service“ wird aber häufig dadurch erschwert, dass erforderliche Leistungen von den Kassen nicht bezahlt werden.

Patienten mit einer potenziell gefährlichen Krankheit wie der chronischen Herzinsuffizienz (HI) profitieren ganz besonders von einem optimalen Zusammenspiel zwischen niedergelassenen Ärzten, insbesondere Internisten, und Spezialambulanzen. HI ist nicht nur einer der häufigsten Gründe für eine Krankenhaus-Einweisung, sondern auch einer der häufigsten Anlässe für Patienten, einen niedergelassenen Arzt aufzusuchen. Niedergelassene Ärzte haben also bei der Vorbeugung, Früherkennung und Behandlung der chronischen HI einen besonders hohen Stellenwert. Sie sind nicht nur in der Erstversorgung, der Primary Health Care, der „Best Point of Service“:

  • In der Prävention der HI sorgen sie für die Abklärung der Risikofaktoren wie Diabetes, Adipositas, Bluthochdruck oder Fettstoffwechselstörungen. Sie haben die Möglichkeit, Patienten vom Nutzen von Lebensstil-Änderungen zu überzeugen und sie dabei zu unterstützen.
  • Bei der Erstdiagnose der HI kann die Rolle niedergelassener Ärzte gar nicht überschätzt werden. HI hat eine Reihe von Symptomen, die auch ganz andere Ursachen haben können oder anders gedeutet werden können: Zum Beispiel Atemnot, abnehmende Leistungsfähigkeit, Appetitlosigkeit, Gewichtsverlust, Konzentrationsstörungen, Depressionen oder Kältegefühle. Kommen Patienten mit solchen Beschwerden zum Arzt, so bietet sich die Möglichkeit einer Diagnose und der Veranlassung weiterer diagnostischer und therapeutischer Schritte.
  • Frühzeitige Diagnose ist bei chronischer HI besonders wichtig und verbessert die Prognose. Rund 30 Prozent der Patienten, die erstmals einer österreichischen HI-Ambulanz zugewiesen werden, leiden bereits an den Krankheitsstadien NYHA III oder IV, also einer bereits fortgeschrittenen Erkrankung.
  • Niedergelassene Internisten spielen eine wichtige Rolle bei der Überwachung des Therapieerfolgs und der Anpassung der Behandlung. Je nach Krankheitsstadium werden sie mit Spezialambulanzen kooperieren.
  • Niedergelassene Internisten können, sofern Cardioverter-Defibrillatoren (ICD) oder Geräte zur kardialen Resynchronisationstherapie (CRT) implantiert wurden, verstärkt die Gerätekontrolle übernehmen. Das wird in immer höherem Ausmaß auch telemedizinisch, also mittels moderner Kommunikationstechnologie über größere Distanzen möglich, was die Kontrolle optimiert, Betroffenen Wegstrecken erspart und mehr Komfort bringt.

Damit niedergelassene Internisten diese Aufgaben bestmöglich wahrnehmen können, bedarf es allerdings seitens des Österreichischen Gesundheitssystems einer Reihe von Maßnahmen:

  • Ein zuverlässiger HI-Marker ist das proBNP und es stellt kein Problem dar, es in der Arztpraxis zu bestimmen. Allerdings kann es, je nach Bundesland und Krankenkasse, von vielen niedergelassenen Ärzten nicht verrechnet werden. Das sollte geändert werden.
  • Ein Herz-Ultraschall wird von den Kassen nur bei einem gewissen Prozentsatz der Patienten bezahlt – unabhängig davon, bei wie vielen er sinnvoll wäre. Diese Limits gehören im Sinne einer einfacheren Diagnose aufgehoben.
  • Das für die Diagnose wichtige 24-Stunden-EKG sollte bei allen Krankenkassen verrechenbar sein. Auch hier gehören die strengen Limits aufgehoben.
  • Auch bei der Schrittmacherkontrolle im niedergelassenen Bereich gibt es derzeit keine Verrechnungsposition – das gehört im Interesse der Patienten geändert.

Patienten stehen also einmal mehr vor dem Problem, dass sie bei niedergelassenen Ärzten die bestmögliche, wohnortnahe, niedrigschwellige und für das Gesundheitssystem preiswerteste Versorgung bekommen könnten. Der Zugang zu dieser Versorgung am „Best Point of Service“ wird aber häufig dadurch erschwert, dass erforderliche Leistungen von den Kassen nicht bezahlt werden. Viele Patienten suchen deshalb Spitals-Ambulanzen auf, was allerdings die Kosten massiv in die Höhe treibt, ohne den Betroffenen Vorteile zu bringen.

Am Thema HI lässt sich aber auch sehr gut zeigen, dass in einem intelligent organisierten Gesundheitssystem der niedergelassene Bereich eine weit wichtigere Rolle spielen könnte – und sollte – als es heute möglich ist. Davon würden nicht nur Patienten, sondern das Gesundheitssystem insgesamt profitieren. Dass der niedergelassene Bereich die teuren Spitäler entlasten soll, ist das erklärte Ziel vieler Koalitionsregierungen gewesen – in der Praxis jedoch ist von einem entsprechenden politischen Willen nichts zu spüren. In den vergangenen Jahren wurden trotz wachsender Bevölkerung und steigender Lebenserwartung konsequent Kassenstellen abgebaut: Im Jahr 2000 gab es in Österreich noch 8.491 niedergelassene Ärzte mit Kassenvertrag, heute sind es etwa 900 weniger. Besonders dramatisch wird sich die Lage in ländlichen Regionen entwickeln, wo in den nächsten 10 Jahren mehr als die Hälfte der derzeit etwa 1.800 niedergelassenen Landärzte pensionsbedingt ausfallen.

Von den Krankenkassen vorgeschriebene Limits bei Untersuchungen in Ordinationen und die schlechtere-Honorierung ärztlicher Leistungen nach dem Erreichen einer bestimmten Leistungsmenge erschweren es niedergelassenen Ärzten, ihre Patienten bedarfsgerecht zu behandeln.

Das Thema chronische HI unterstreicht aber auch einmal mehr die zentrale Rolle von Ärzten in der Primary Health Care. Die Diagnose der HI ist kompliziert, Beschwerden können leicht falsch interpretiert und bagatellisiert werden, lebenswichtige Therapien können dadurch verschleppt werden. Andere Gesundheitsberufe sind für solche Differenzialdiagnosen nicht ausgebildet und wären völlig überfordert – mit allen entsprechenden Risiken für die Patienten. Das zu betonen ist besonders wichtig in einer Zeit, in der eine Reihe von Kassenfunktionären und Gesundheitspolitikern tatsächlich den niedergelassenen Ärztebereich weiter schwächen wollen. Manche phantasieren gegenwärtig allen Ernstes von anonymen Versorgungszentren, in denen auch Nicht-Ärzte darüber befinden sollen, welcher Patient wie erstversorgt werden soll.

Am Beispiel der HI zeigt sich in aller Dramatik, welch gravierende Folgen das für Patienten haben könnte.