Rezepte von vorgestern von „ÖGK-ArbeitnehmerInnenobmann“ Huss

„Moderne, pauschalere Honorierung für KassenärztInnen soll Versorgungssicherheit für Versicherte bringen“ – so betitelte „ÖGK-ArbeitnehmerInnenobmann“ Andreas Huss kürzlich eine Presseaussendung. Um es vorweg zu nehmen: Es handelt sich dabei nicht um ein Konzept von gestern, sondern von Vorgestern.

Das „Einzelleistungssystem“ sei „mittlerweile für viele Ärzte abschreckend“, befindet Huss, „die ÖGK arbeitet daher daran, analog den Vorgaben für die Primärversorgungseinheiten ein pauschales System zu entwickeln, das viele Vorteile sowohl für die Versicherten als auch die ÄrztInnen hat.“

Leider gehen die Vorschläge des Obmanns der ÖGK, jenes seit ihrer Gründung im Jänner 2020 nicht so recht in Schwung gekommenen Produkts der so genannten Kassenreform, weit an den Realitäten der Kassenarztpraxen vorbei: Pauschalierungen dienen de facto nicht der Qualität der Patientenbetreuung eines, sondern laden zur Beschleunigung ein. Patienten sind natürlich nicht wie Schrauben zu betrachten, und Arztpraxen nicht wie eine Schraubenfabrik, in der die Produktion jeder Schraube genau gleich viel Aufwand erfordert wie die Produktion jeder anderen Schraube: Patienten haben unterschiedliche Bedürfnisse, einen unterschiedlichen sozialen Hintergrund, unterschiedliche Ausprägungen ihrer Krankheit und unterschiedliche Komorbiditäten. Dementsprechend werden sie sinnvoller Weise von ihren Ärztinnen und Ärzten unterschiedlich zu behandeln sein. Und es ist nur sinnvoll, diese Leistungen auch unterschiedlich abzurechnen. Und natürlich bilden Einzelleistungen gerade in einer Zeit, in der nicht nur der Patientenbedarf, sondern auch die diagnostischen und therapeutischen Methoden immer ausdifferenzierter werden, die Behandlungsrealität wesentlich präziser ab als jede pauschale Lösung. Pauschalierungen helfen weder Ärzten noch Patienten, sondern ausschließlich Kassenbürokraten, weil sie die Abrechnung vereinfachen. Aber das war‘s auch schon.

Herr Huss hat natürlich recht mit seiner Anmerkung in seiner Presseaussendung, dass die Ärztekammer einen neuen Leistungskatalog erstellt habe. Er fordert von uns sogar dessen zügige Präsentation, damit die ÖGK „vernünftige Learnings aus der Corona-Krise ziehen“ kann.

Ihm kann geholfen werden: Wir werden den Leistungskatalog in den nächsten Wochen der Öffentlichkeit vorstellen – das stand bereits vor seiner Presseaussendung fest.

Tatsächlich hat die Kurie der niedergelassenen Ärzte in mehr als zwei Jahren für sämtliche Fächer der Medizin einen modernen und überarbeiteten Leistungskatalog erarbeitet. Er ist State of the art und fasst alles zusammen, was in Arztpraxen geleistet werden kann und auch geleistet werden sollte. Er dient als Basis für künftige Verhandlungen mit den Sozialversicherungen.

Der Grund, warum wir die öffentliche Vorstellung des seit März 2020 fertigen Leistungskatalogs verschoben haben, ist die Coronakrise mit ihren spezifischen und vielfältigen Herausforderungen an uns Ärzte. Wir waren zunächst damit beschäftigt, Schutzausrüstung zu organisieren (wo war damals die ÖGK?), und Corona-sensible Abläufe in den Arztpraxen zu definieren und zu implementieren (was hat die ÖGK dazu beigetragen?) und auf dieser Grundlage Patienten zu behandeln. Und drittens zogen wir Lehren aus der Pandemie, die im Übrigen in den Leistungskatalog einfließen – Entsprechendes ist von der ÖGK nicht bekannt geworden, wie sie überhaupt während der Pandemie im Wesentlichen durch ihre weitgehende Nicht-Präsenz eine insgesamt recht karges Erscheinungsbild bot.

In dieses Bild passt auch, dass Herr Huss sich offenbar weniger um die Qualität der Versorgung Sorgen macht, als um Honorierungsfragen. Selbst welche zusätzliche „Versorgungssicherheit für Versicherte“ die von Herrn Huss vorgeschlagene Pauschallösung bringen soll, bleibt unklar.