Patientenanwältin Pilz einmal mehr Sprachrohr der Politik

Auf das Amtsverständnis der Wiener Patientenanwältin Sigrid Pilz kann sich die Gesundheitspolitik immer dann ganz besonders gut verlassen, wenn es politisch wieder einmal gegen die niedergelassenen Ärztinnen und Ärzte geht. Unabhängig davon, ob es sich um einen Kommentar im STANDARD oder fast zeitgleich um die Präsentation des „Berichts der Wiener Pflege-, Patientinnen- und Patientenanwaltschaft für 2020“ geht, Frau Pilz wird gegenüber Ärzten zuverlässig eine demagogische Position einnehmen.

Zuletzt bot ihr eine Novelle des Ärztegesetzes einen willkommenen Anlass, die der Ärztekammer die Kompetenzen für die Ärzteausbildung und die Qualitätskontrolle entzog. Sachliche Notwendigkeit und gute Gründe für diese Änderungen eines sehr gut bewährten Systems gibt es zwar keine, sehr wohl aber wurde einmal mehr überdeutlich der politische Wunsch spürbar, die Ärztevertretung zu schwächen. Mit einer selbstbewussten Standesvertretung können nun einmal manche Politiker und Kassenfunktionäre nicht gut leben, und Frau Pilz lässt sich seit vielen Jahren bereitwillig vor den Karren so einer Gesundheitspolitik spannen: Eine Politikanwältin mit der Maske einer Patientenanwältin.

Das tut sie auch in dem jüngsten STANDARD-Kommentar, in dem sie „echte Kontrolle für die Ordinationen“ befürwortet, natürlich durch das Gesundheitsministerium. Und nicht mehr durch die ÖQMED der Ärztekammer, die diese Aufgabe stets konsequent im Rahmen der Selbstverwaltung durchgeführt hat, mit einem multiprofessionellen Beirat, in dem im Übrigen auch die Patientenanwaltschaft vertreten ist.

Frau Pilz und ihr Büro sind auch stets erfolgreich darum bemüht, jene negativ-kritische Betrachtung, die sie den niedergelassenen Ärzten so bereitwillig angedeihen lassen, den Spitälern der Stadt Wien möglichst zu ersparen. Entsprechend verhalten wurde dann auch in früheren Jahresberichten über Probleme in diesem Versorgungsbereich informiert. Im Kapitel „Qualitätssicherung im Gesundheitswesen“ ihres Jahresberichts 2020 erfährt man zwar einiges über Defizite bei der Schmerztherapie in Wien, ein Beispiel für „Informationsmängel im Spitalsbereich“ und eines für einen Produktmangel, dafür aber ausführlich sehr Grundsätzliches über die „unzureichende Qualitätskontrolle im niedergelassenen Bereich“ durch die ÖQMED der Ärztekammer. Der für sie charakteristische selektive Blick eben.

Bezeichnend für das politische Handeln von Frau Pilz ist auch ein Absatz in der Presseaussendung, in der ihr Leistungsbericht 2020 vorgestellt wird. Dort heißt es zum ersten Lockdown: „Unkoordinierte, medizinisch nicht begründbare Ordinationsschließungen und die Reduzierung des medizinischen Leistungsangebotes durch Teile der niedergelassenen Ärzteschaft führten zu einer besorgniserregenden Fehl-, Unter- und Nichtversorgungen von Patientinnen und Patienten. Obwohl der Versorgungsauftrag für Ärztinnen und Ärzte mit Kassenvertrag auch in der Pandemie unvermindert aufrecht blieb, wurde dieser im ersten Blockdamm zu einem beträchtlichen Teil nicht erfüllt.“

Diese Argumentation hat diffamierende Züge. Wie erinnerlich, wurden Patientinnen und Patienten von der Politik damals ausdrücklich aufgefordert, Arztpraxen nur in sehr dringenden Fällen aufzusuchen, und stattdessen per Handy, Mail oder Video mit Ärzten in Kontakt zu treten, um Infektionen zu vermeiden. Dies den Ärzten vorzuwerfen, die zu einem guten Teil mit hohem Gesundheitsrisiko ihre Ordinationen trotzdem offen hielten um die Versorgung zu sichern, ist schlechterdings schändlich. Und obendrein noch falsch: Die Sozialversicherungen berichten, dass in Wien damals mehr als 90 Prozent der Kassenordinationen in Betrieb gewesen seien.

Die Liste unqualifizierte Angriffe der Patientenanwältin auf die Ärzteschaft ließe sich leicht fortsetzen. Wichtiger ist aber in diesem Zusammenhang ihr problematisches Amtsverständnis, das sich von jenem ihre Vorgänger so fundamental unterscheidet. Diesen ging es darum, ebenso wie es bei den meisten der heute tätigen Patientenanwältinnen und -anwälten der Fall ist, Patienten diskret und ohne viel öffentliches Aufsehen zu helfen. Frau Pilz hingegen hat ein politisches Rollenbild und agiert wie ein Sprachrohr der Wiener Gesundheitspolitik: öffentlichkeitswirksam und parteiisch.

Hier wird ein Systemfehler deutlich. Frau Pilz ist nun einmal nicht Public Relations-Beraterin oder Lobbyistin, sondern eine von der öffentlichen Hand finanzierte Patientenanwältin. Bei nicht ausreichend informierten Menschen kann leicht der Eindruck entstehen, hier agiere tatsächlich eine unabhängige Instanz, die ausschließlich dem Patienteninteresse verpflichtet ist. Dieses Missverständnis machen sich manche Politiker gern zunutze, wenn sie eine passende „unabhängige Expertenmeinung“ gut brauchen können.

Patientenanwälte sollten aber nicht wie Politikanwälte agieren, sondern wie echte Patientenvertreter. Sie sollten von einer unabhängigen Institution kontrolliert werden und abberufen werden können, wenn sie die Interessen ihrer Auftraggeber vor die Interessen der Patienten stellen.