Liebe Frau Gesundheitsminister, PHC ohne medizinische und wirtschaftliche Letztverantwortung von Ärzten darf es ebenso wenig geben wie ein Ende des Gesamtvertrages

Hier einige Anmerkungen zu einer Serie von aktuellen Medienberichte und Presseaussendungen zum Thema Primärversorgungs-Zentren (PHC). Dort haben sich – erkennbar vorbereitet und unübersehbar akkordiert – Gesundheitspolitiker, Kassenfunktionäre et al. gegenseitig argumentativ  unter die Arme gegriffen und aufmunternd auf die Schulter geklopft. Auslöser war die Ankündigung der Gesundheitsministerin Dr. Oberhauser, in Sachen Primärversorgungs-Zentren aufs Gas zu steigen, bereits in zwei Wochen soll ein Gesetzesentwurf vorliegen.

Aus Sicht der Ärzteschaft und im Interesse einer bestmöglichen Primärversorgung – diese wird im Übrigen seit vielen Jahren von niedergelassenen Ärzten sehr zur Zufriedenheit von Patienten erbracht, wie Umfrageergebnisse zeigen – lassen die ersten Ankündigungen der Gesundheitsministerin zum Teil Schlimmes befürchten. So soll der Gesamtvertrag zwischen Ärzteschaft und Krankenkassen – also der Kollektivvertrag für niedergelassene Kassenärzte – ausgehebelt werden. Dass so eine Idee ausgerechnet von einer Politikerin mit Gewerkschaftshintergrund kommt, muss überraschen. Würde die Gesundheitsministerin so etwas einer anderen Berufsgruppe zumuten, hätte sie wohl Partei- und Gewerkschafts-intern größte Troubles. Doch bei Ärzten glaubt man wohl, das einfach so tun zu können: Weil einem deren Standesvertretung, die nicht zu allen politischen Zumutungen Ja und Amen sagt, politisch ein Dorn im Auge ist – doch man wird sich noch wundern.

Es muss auch jedem klar sein, dass nach dem ersten Schritt der gesetzlichen Verankerung großer Primärversorgungs-Einheiten, so wie sie von der Gesundheitspolitik trotz aller Warnungen der Ärzteschaft vielfach gewünscht werden, weitere Schritte unausweichlich folgen würden: Das kann zum einen eine rigide Staatsmedizin sein, bei der Gesundheitspolitik und Kassenbürokratie bis ins Detail bei Diagnosen und Therapien den Ton angeben. Zum anderen kann der Trend in die Richtung gehen, dass sich große internationale Gesundheitskonzerne die neue Chance nicht entgehen lassen, sich Versorgungszentren einverleiben und diese nach ausschließlich betriebswirtschaftlichen Überlegungen führen.

In beiden Fällen: Gesundheitsversorgung, gute Nacht!

Damit es nicht in Vergessenheit gerät: Überlegungen, wie sie die Bundesministerin gestern angestellt hat, sind uns noch in sehr unangenehmer Erinnerung. Vor etwas einem Jahr verließ ein angeblicher „Technokratenentwurf“ zu Primärversorgungszentren das Ministerium, der, beim Wort genommen und zu Ende gedacht, ein Ende der niedergelassenen Ärzteschaft, so wie wir sie kennen, ein Ende des herkömmlichen ärztlichen Kollektivvertrages und ein Ende der freien Arztwahl bedeutet hätte: Zugunsten von zum Teil anonymen Gesundheitsfabriken, in denen der Kontakt mit einer Ärztin oder einem Arzt keine Selbstverständlichkeit mehr gewesen wäre.

Gegen eine produktive Weiterentwicklung unseres Systems niedergelassener Ärzte wird wohl kein vernünftiger Mensch sein. Gegen den Vernetzungsgedanken zum Beispiel, wie er in der PHC-Konzepten immer wieder genannt wird, ist – wenn man es richtig macht – nichts einzuwenden. Die von BM Oberhauser genannte Anstellung von Ärzten bei Ärzten wäre eine sinnvolle und zeitgemäße Entwicklung. Aus ärztlicher Sicht kann und soll über jede echte Verbesserung in der Primärversorgung diskutiert werden. Allerdings muss Primärversorgung auch in Zukunft unter ärztlicher und wirtschaftlicher Letztverantwortung von Ärzten und im Rahmen des Gesamtvertrages stattfinden. Alles andere würde eine Schwächung der niedergelassenen Ärzteschaft bedeuten, die sich sehr nachteilig auf die Versorgung der Patienten auswirken würde und deshalb niemals in deren Interesse sein kann.

Bitte Schluss mit der unseligen gesundheitspolitischen Tradition von „Reformen“, die Bewährtes zerschlagen möchten zu Gunsten angeblicher „Innovationen“, die von Theoretikern und Ideologen erdacht wurden, und am Ende ist alles schlechter als zuvor.

Es ist schon erstaunlich, welch seltsame Blüten das mediale „Sommerloch“ treibt. Erst will man die Kuren abschaffen und dann die niedergelassenen Ärzte. Man darf also gespannt sein, was uns Politik und Kassenbürokratie in den nächsten Wochen noch alles zumuten werden.