Primärversorgung 2020: Die Alternative der Ärztekammer

Die Österreichische Ärztekammer hat ein neues Konzept „Primärversorgung 2020“ vorgestellt. Es wurde von Ärzten erarbeitet, also von Praktikern der Gesundheitsversorgung, die den Bedarf der Patienten sehr gut kennen. Das Konzept haben wir heute bei einer Pressekonferenz vorgestellt.

„Primärversorgung 2020“ ist ein konkretes, flexibles Modell für eine Weiterentwicklung der allgemeinmedizinischen Primärversorgung. Patienten erhalten damit die Möglichkeit, sich unter diesen vielfältigen Optionen der Primärversorgung die auszusuchen, die ihren persönlichen Vorstellungen und ihrem Gesundheitszustand am besten entspricht. Und sie verlieren dabei nicht ihren Hausarzt und profitieren von längeren Ordinationszeiten.

Hausarzt, Gruppenpraxis, Erweiterte Gruppenpraxis

„Primärversorgung 2020“ beruht auf dem Konzept Hausarzt, Gruppenpraxis mit zwei oder mehreren Partnern, Erweiterte Gruppenpraxis. Ein Eckpfeiler ist dabei die Vernetzung von Gesundheits-Einrichtungen, die nach den jeweiligen regionalen Bedingungen abzustimmen ist.

·       In jeder Einrichtung der Primärversorgung wird ein definiertes Mindest-Leistungsspektrum angeboten. Je nach dem Ausmaß der Öffnungszeiten, der Vernetzung mit anderen Einrichtungen, der Breite des medizinischen Leistungsangebots oder der Ausbildung von Nachwuchsmedizinern muss auch die Finanzierung durch die Krankenkassen bzw. des Bundeslandes variieren. Weil ein höheres Leistungsangebot in einer Praxis auch einen höheren Aufwand und höhere Kosten und Investitionen bedeutet, muss natürlich einem Mehr an Leistung auch eine dementsprechende Finanzierung gegenüberstehen. Insgesamt sollte auch hier das Prinzip „Geld folgt Leistung“ angewandt werden.

·       Primärversorgung findet ausschließlich im Rahmen des Gesamtvertrages statt, des Kollektivvertrages für Kassenärzte, der zwischen der Ärztekammer und den Sozialversicherungen abgeschlossen wird.

·       Für die Erweiterte Gruppenpraxis, aber auch für die regional vernetzten Ordinationen können mobile Krankenschwestern, Sozialarbeiter, Ernährungsberater, Wundmanager, Ordinationsmanager etc. vom Arzt beschäftigt und/oder von der Gemeinde, den Ländern oder den Krankenkassen zur Verfügung gestellt werden. Ein weiterer Vorteil dieser Zusammenarbeitsformen wären erweiterte Öffnungszeiten sowie die Übernahme von Leistungen aus den Spitalsambulanzen.

·       Ein wesentlicher Eckpfeiler von „Primärversorgung 2020“ ist die Vernetzung. Diese ist nach den jeweiligen regionalen Gegebenheiten abzustimmen, wird also in einer größeren Stadt anders aussehen als in ländlichen Regionen mit langen Wegstrecken zwischen den Institutionen.

Vernetzung in Versorgungsregionen

In ländlichen Regionen wird die Vernetzung gesundheitlicher Angebote an die jeweiligen demografischen und geografischen Bedingungen anzupassen sein. Durch die oft größeren Distanzen wird häufig die elektronische Vernetzung einen hohen Stellenwert haben.

Beispiel: Vernetzung in ländlichen Versorgungsregionen à la styriamed.net

Ein gut gelungenes Beispiel ist Styriamed.at. Damit wurden in der Steiermark Allgemeinmediziner und Fachärzte mit und ohne Kassenvertrag sowie Spitalsärzte in einer Art „virtueller Gruppenpraxis“ vernetzt. In einigen Regionen sind bereits auch andere Gesundheitsberufe vertreten. Mit Zustimmung des Patienten kommen alle Befunde direkt zum Hausarzt, der so gezielt alle Phasen der Behandlung „managen“ kann. Auch lange Wartezeiten auf einen Facharzttermin lassen sich oft dadurch vermeiden, dass die Ärzte untereinander rasch und unbürokratisch über eine „Hotline“ freie Kapazitäten abklärten.

Dieses bewährte Modell soll weiter ausgebaut werden, und die dabei gemachten Erfahrungen werden zu seiner ständigen Optimierung beitragen, was auch Vernetzungsmodellen in anderen Regionen zu Gute kommen wird.

Beispiel: Vernetzung im „Grätzel“ optimiert Abstimmung, Kooperation, Ordinationszeiten

Im städtischen Raum kann eine Vernetzung im „Grätzel“ zu einer Optimierung der Versorgung beitragen. Ein „Grätzel“ kann, je nach Größe, einen Bezirk umfassen oder Bezirks-übergreifend sein. Die Einbeziehung des Ärztefunkdienstes und damit die 24 Stunden Betreuung der Patienten müssen gewährleistet sein.

Es bestehen derzeit auf informeller Ebene bereits lokale Netzwerke von Allgemeinmediziner-Ordinationen, die eng zusammen arbeiten. Weil es hier vertragliche Restriktionen gibt, arbeiten wir derzeit an einer formalen Ausformung.

Voraussetzungen für die Umsetzung von „Primärversorgung 2020“

Erforderlich für die Umsetzung von „Primärversorgung 2020“ sind flexible Formen der ärztlichen Zusammenarbeit, etwa Time-Sharing-Praxen, eine Lockerung der Vertretungs-Bestimmungen sowie angemessene Bereitschaftsdienst-Modelle. Damit wird auch den individuellen Lebensumständen von Ärzten Rechnung getragen und zum Beispiel eine bessere Vereinbarung von Beruf und Familie ermöglicht.

Um „Primärversorgung 2020“ zu verwirklichen, müssen lediglich punktuelle Änderungen im Ärztegesetz und im ASVG vorgenommen werden. Ein eigenes PHC-Gesetz ist nicht erforderlich.