5 zentrale Punkte für adäquate Versorgung von Long-COVID im Kassenbereich

Das Kassensystem ist auf die Betreuung von Menschen mit Long COVID im niedergelassenen Bereich nicht vorbereitet. Ich habe deshalb bei einem Pressegespräch gemeinsam mit der Internistin Prof.  Bonni Syeda und dem Psychiater Prof. Dietmar Bayer den Medien eine Analyse des Ist-Zustandes im kassenärztlichen Bereich präsentiert und 5 Ansatzpunkte für eine Sanierung vorgestellt.

Wir informierten dabei die Medien über ein Thema, von dem bisher in der Öffentlichkeit so gut wie nicht die Rede war, das allerdings zunehmend an Bedeutung gewinnt: Niedergelassene Ärztinnen und Ärzte stehen in ihrem Ordinations-Alltag einer neuen und beträchtlichen Herausforderung gegenüber, nämlich der Diagnose und Betreuung von immer mehr Patienten mit Long COVID. Von diesen sehr unterschiedlich ausgeprägten und meistens fächerübergreifenden gesundheitlichen Langzeitfolgen, die nach einer akuten COVID-Erkrankung auftreten können, kann grundsätzlich jeder COVID-Patient betroffen sein. Geht man, vorsichtig geschätzt, davon aus, dass 10 bis 20 Prozent aller mit COVID Infizierten Long COVID entwickeln, dann sind das in Österreich bei derzeit mehr als 800.000 positiv getesteten COVID-Fällen 80.000 bis 160.000 Menschen.

Diese zu diagnostizieren und zu behandeln ist sehr aufwändig, und dabei kommt den niedergelassenen Ärztinnen und Ärzten eine zentrale Rolle zu. Allerdings stößt das Kassensystem hier an seine Grenzen:Inzwischen zeigt sich sehr klar, dass es eine Reihe von Hindernissen gibt, die einer adäquaten Betreuung von Long-COVID-Patienten entgegenstehen.

Unsere Lösungsvorschläge:

  1. Long COVID muss als ein Krankheitsbild akzeptiert werden, das uns voraussichtlich noch lange Zeit begleiten wird. Es muss der Konsens bestehen, dass davon Betroffene nicht sich selbst überlassen bleiben, sondern bestmöglich versorgt werden. Das ist bei den zu erwartenden Patientenzahlen eine enorme Herausforderung und erfordert eine Flexibilisierung unseres Kassensystems: Anders ist einem komplexen Geschehen wie Long COVID, von dem sehr viele Menschen betroffen sein werden, nicht beizukommen.
  2. Die Leistungsposition Long COVID muss in den kassenärztlichen Leistungskatalog der Österreichischen Gesundheitskasse aufgenommen werden. Im kassenärztlichen Honorarkatalog müssen der Krankheit angepasste Verrechnungspositionen für Long COVID geschaffen werden.
  3. Deckelungen und Degressionen bei kassenärztlichen Leistungen müssen zunächst überall dort aufgehoben werden, wo sie die Betreuung von Long COVID behindern. Dass nur ein gewisser Prozentsatz der ärztlichen Leistungen von den Kassen bezahlt wird, und zwar unabhängig vom tatsächlichen Bedarf, geht an der Realität vorbei.
  4. Der in der Betreuung von Long-COVID-Patienten erforderliche Austausch zwischen den medizinischen Fächern darf nicht durch Limitierungen beschränkt werden. Er muss, jeweils auf die bestmögliche Betreuung des einzelnen Patienten bezogen, bedarfsorientiert möglich sein: Entweder im direkten Gespräch oder telemedizinisch als multiprofessionelles virtuelles Kompetenzzentrum. Dafür müssen die kassenärztlichen Voraussetzungen geschaffen werden.
  5. Eine adäquate Versorgung dieser komplexen und langwierigen Krankheit ist selbstverständlich nicht zum Nulltarif zu haben. Da kommen enorme zusätzliche Herausforderungen auf das Gesundheitssystem zu, und dafür muss die öffentliche Hand im Interesse Betroffener die erforderlichen Ressourcen bereitstellen.