Ein gut ausgestatteter niedergelassener Bereich könnte die überforderten Spitäler effizient und kostengünstig entlasten – wenn die Gesundheitspolitik ihn ermöglichen würde

Die Frustrationen und Kritik der angestellten Kolleginnen und Kollegen in den Spitälern, die heute im Wiener MuseumsQuartier einmal mehr thematisiert wurden, und der Ärztemangel im niedergelassenen Bereich, auf den die Ärztekammer regelmäßig öffentlich hinweist, haben einen gemeinsamen Ursprung: Eine konzeptlose Gesundheitspolitik, die die konsequenten Warnungen der Ärztekammer vor einer zunehmenden Ärzteknappheit seit Jahren konsequent ignoriert. Vertreter der Gesundheitspolitik und -verwaltung bleiben in dieser Angelegenheit nicht nur inaktiv, sondern stellen die Ärzteknappheit – so in den vergangenen Tagen und Wochen wieder geschehen – gleich überhaupt in Abrede. Wer gibt schon gerne zu, für Versorgungsprobleme mitverantwortlich zu sein, die er durch geeignete Maßnahmen hätte vermeiden können? Selbst dann, wenn wir im Zusammenhang mit dem neuen Ärztearbeitszeitgesetz wieder einmal mit den Versorgungs-relevanten Negativfolgen dieser Unterlassungs-Politik konfrontiert sind.

Der Ärztemangel in den Spitälern, mit den bereits bestehenden oder sich abzeichnenden Einschränkungen bei Operationszahlen und Ambulanzleistungen, und der Ärztemangel im niedergelassenen Bereich stehen in einem engen Zusammenhang, der über die gemeinsame Ursache – eben eine am Thema desinteressierte Gesundheitspolitik – hinausgeht. Denn ein entsprechend ausgestatteter niedergelassener Bereich könnte die überforderten Spitäler effizient und kostengünstig entlasten. Doch leider gibt es diesen – auch das ein Produkt der Politik – nicht. Vielmehr verzeichnen wir in Österreich heute 900 Arztpraxen mit Kassenvertrag weniger als vor 15 Jahren, und der ausbleibende medizinische Nachwuchs ist eine große zusätzliche Herausforderung für die Gesundheitsversorgung. Dazu hier nur eine bezeichnende Zahl: In Wien sind derzeit bloß 19 niedergelassene Allgemeinmediziner jünger als 35 Jahre. Mit einem nur sehr spärlich nachrückenden medizinischen Nachwuchs wird es aber nicht möglich sein, die angespannte Situation im niedergelassenen Bereich zu sanieren und die Spitäler zu entlasten.

Die Ursachen für die abnehmende Bereitschaft, Arzt zu werden, sind bekannt. Unbestritten ist, dass die Rahmenbedingungen einer ärztlichen Tätigkeit immer weniger attraktiv sind. Es bedarf also einer entsprechenden Verbesserung dieser Bedingungen, damit das Interesse am Arztberuf wieder zunimmt. Dazu zählen im niedergelassenen Bereich – auch darauf weist die Ärztekammer regelmäßig hin – moderne und flexible Kooperationsformen, weniger Bürokratie-Aufwand, die Abschaffung von Deckelungen und Regressionen, die Anpassung der Honorierung an den medizinischen Fortschritt, etc. Was wir noch brauchen, um die Spitäler wirksam zu entlasten, sind nach den Berechnungen der Ärztekammer etwa 1.300 zusätzliche Arztpraxen mit Kassenvertrag, davon 300 in Wien.

Entsprechende konkrete Reformkonzepte der Ärztekammer gibt es schon lange, und einmal mehr laden wir gerne die Gesundheitspolitik und -bürokratie zu einem Dialog ein, um die Versorgungssituation zu verbessern und Negativtrends möglichst zu stoppen. Denn die Prolongierung von Engpässen kann sich wohl niemand ernsthaft wünschen.